© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/08 29. Februar 2008

Seichte Brücken ins Nichts
Integration: Auftaktveranstaltung der "Christlich-Muslimischen Friedensinitiative" in Berlin / Respekt für "jahrhundertealte Zivilisationen" der Einwanderer gefordert
Fabian Schmidt-Ahmad

Äußerlich erscheint die vor drei Monaten gegründete "Christlich-Muslimische Friedensinitiative" (cm-fi) als eine wenig originelle Vereinigung. Gehört sie doch zu den unzähligen Initiativen in Deutschland, die sich "für Integration und Verständigung einsetzen" möchten.

Ein Unterschied zu einigen anderen Einrichtungen eines guten Glaubens besteht jedoch in der Mitgliedsliste. So gehört beispielsweise mit Ruprecht Polenz der ehemalige CDU-Generalsekretär und derzeitige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag ebenso dem Initiativkreis an wie mit Rafet Özturk der Beauftragte für "interkulturelle Zusammenarbeit" der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib). Was sich aus dem Zusammenspiel von Christlich Demokratischer und Türkisch-Islamischer Union ergibt, davon konnte man sich vergangene Woche im Hauptstadtstudio des ZDF ein Bild machen, als die cm-fi zur Auftaktveranstaltung einer "Friedenswoche" einlud.

Zunächst stellte sich beim Zuhörer Verblüffung ein, als Steffen Seibert die Frage in den Raum warf, warum "solche Initiativen" nicht schon längst gegründet worden seien. Dann "wären wir heute schon viel weiter", vermutete der ZDF-Moderator. Offensichtlich ist es Seibert entgangen, daß es "solche Initiativen", wie er sie vorstellte, bereits wie Sand am Meer gibt. Auch überkam den Zuhörer Zweifel, ob er wirklich in die Richtung gehen möchte, in der "wir heute schon viel weiter" hätten sein können. Zumindest, wenn man den Beitrag von Heiner Bielefeldt, Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, zum Maßstab nimmt. Dieser behauptete, die deutsche Gesellschaft müsse von "wir" und "die" wegkommen, da der Islam längst Teil dieser Gesellschaft sei.

Wobei Bielefeldt wohl nicht bedachte, daß sich dann die cm-fi konsequenterweise auch gleich wieder auflösen müßte. Denn zwischen wem sollte man sonst "Brücken schlagen"?

Von dieser und ähnlicher Machart waren die deutschen Beiträge, die nur durch ihre friedliche Seichtigkeit über den Umstand hinwegtäuschten, daß sie allesamt in sich höchst widersprüchlich waren. Im wesentlichen war man bestrebt, den Eindruck zu vermeiden, man sähe in der Ditib etwas anderes als den Garanten für gelungene Integration.

Nur die Rede des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) setzte hierzu einen Kontrapunkt. Indirekt kritisierte er scharf die Haltung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Erdoğan, der die in Deutschland lebenden Türken vor "Assimilation" warnt. Lammert nannte als eine der wichtigsten Bedingungen von Integration, daß sie der einzelne überhaupt will. Integration hieße nicht Wurzeln kappen, aber neue zu schlagen. "Wer das eine mit dem anderen für unvereinbar erklärt, hat eine der wesentlichen Voraussetzungen für gelungene Integration in diesem Land beseitigt." Das Lächeln der anwesenden Vertreter muslimischer Organisationen war ebenso freundlich wie desinteressiert.

Statt dessen stellte Öztürk die Friedensinitiative vor, die darum bemüht sei, "einen Dialog auf der Basis der Werteordnung des Grundgesetzes" zu führen mit dem Zweck, "Vorurteile und Diskriminierungen" abzubauen. Öztürk will "allen Menschen im gesellschaftlichen Leben" zeigen und den Behörden gegenüber vermitteln, daß sie "ohne Aufgabe ihrer religiösen, kulturellen und Volkszugehörigkeiten und Identitäten in diesem, unseren Land - Deutschland - herzlich willkommen sind".

Dies ist von Öztürk sehr freundlich und durchaus nicht selbstverständlich. Immerhin ist die Ditib der Wurmfortsatz des türkischen Staates, der über diese Nabelschnur mit den Bürgern seines Landes verbunden bleibt. Und in der Türkei selbst heißt man bekanntlich fremde Völker und Religionen meist herzlich unwillkommen.

Geradezu rührend wirkt es daher, wenn Öztürk eine Lanze für den Multikulturalismus bricht und den Respekt vor der "jahrhundertealten Zivilisation" der Einwanderer fordert. Diese hat zwar wenig mit der "Werteordnung des Grundgesetzes" zu tun, wird aber in der "Friedenswoche" mit Veranstaltungen gefördert wie in Köln, die sich an "Migrantinnen mit weniger als zehn Jahren Aufenthalt in Deutschland" richten. Hier werden Ämter "wie zum Beispiel Wohnungsamt, Agentur für Arbeit, Sozialamt, ARGE, Versorgungsamt" und ähnliche mehr vorgestellt, "die wichtigsten Formulare erläutert" und "je nach Bedarf" Exkursionen angeboten.

"Warum sollten wir nicht Lobbyismus betreiben, um unsere Interessen zu schützen?" So fragte erst kürzlich der türkische Staatspräsident. Die cm-fi ist nichts anderes als die praktische Umsetzung dieser Forderung. Jegliche Friedensinitiative, wenn sie wirklich Frieden und nicht etwas anderes will, muß zunächst einmal feststellen, daß Krieg ist, und dessen Gründe benennen. Wenn man aber das nicht möchte, weil sich sonst jemand angegriffen fühlt - beispielsweise der Angreifer selbst -, dann will man eigentlich nicht Frieden, sondern eine Kapitulation. Denn ein Krieg beginnt mit der Verteidigung, wie Clausewitz bemerkte. Sonst wäre er nämlich eine bloße Invasion.

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