© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/08 29. Februar 2008

Ungeliebte Bündnisoption
Hamburgwahl: Parteibasis lehnt Schwarz-Grün ab / CDU verhandelt mit SPD und Grünen / Rechte Parteien bleiben unter Ein-Prozent-Marke
Arnold Steiner

Ole von Beust hat es geschafft: Er kann, wenn alles nach Plan verläuft, Erster Bürgermeister in Hamburg bleiben. Die absolute Mehrheit, mit der er bis dato regierte, konnte die CDU bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag jedoch nicht halten. Mit 42,6 Prozent büßte sie 4,7 Prozent gegenüber der Wahl 2004 ein und liegt nun 8,5 Prozent vor der SPD, die ein Ergebnis von 34,1 Prozent erreichte und sich damit um 3,6 Prozent verbesserte.

Daß die CDU trotzdem stärkste Kraft geblieben ist, läßt sich in erster Linie auf den Spitzenkandidaten von Beust zurückführen, der gegenüber seinem Herausforderer Michael Naumann in fast jeder Disziplin überzeugte. So bescheinigten ihm die Hamburger eine höhere Glaubwürdigkeit, mehr Sachverstand und einen größeren Handlungswillen als dem Zeit-Herausgeber Naumann, dem man den Sozialdemokraten nicht so recht abkaufen wollte. Gerade mit dem Sozialen hätte die SPD jedoch punkten können, denn viele Hamburger beklagen die zunehmende Diskrepanz zwischen Arm und Reich und fürchten die Ghettoisierung einiger Stadtteile durch Armut und perspektivlose Jugendliche.

Für dieses Problem hatte jedoch auch die SPD keine überzeugenden Konzepte zu bieten. Naumann schaffte es zwar, seinen Bekanntheitsgrad im Laufe des Wahlkampfes in der Hansestadt auf 90 Prozent zu verbessern, konnte jedoch seinen groß- und bildungsbürgerlichen Habitus nicht ablegen und versagte in entscheidenden Momenten wie dem verpatzten Schlußwort im TV-Duell. Doch nicht nur der Notkandidat Naumann machte es von Beust leicht, auch SPD-Chef Kurt Beck schürte mit seinen Äußerungen zur möglichen Zusammenarbeit mit der Linkspartei in Hessen die Angst vor einem Linksbündnis.

Mit 9,6 Prozent zogen die Grünen als drittstärkste Kraft in die Bürgerschaft ein, verfehlten jedoch ein zweistelliges Wahlergebnis und verschlechterten sich gegenüber 2004 um 2,7 Prozent.  Der Abstieg der in Hamburg traditionell starken Grünen hängt mit von Beusts Avancen gegenüber der Grünen-Parteispitze zugunsten eines schwarz-grünen Wahlergebnisses zusammen. Diese Option stößt sowohl bei der Parteibasis der Grünen als auch der CDU auf wenig Gegenliebe und wird von 70 Prozent der Hamburger Bürger abgelehnt. Auf beiden Wahlpartys konnte man am Sonntagabend laute Buhrufe vernehmen, wenn diese Koalitionsmöglichkeit diskutiert wurde. Angesichts des Wahlausgangs wird das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene jedoch immer wahrscheinlicher, auch wenn unklar ist, wie bei den Reizthemen Elbvertiefung, Bildungspolitik oder Kohlekraftwerk Moorburg einvernehmliche Lösungen gefunden werden sollen.

Mit dem Einzug der Linkspartei dürfte die SED-Nachfolgeorganisation wohl auch im Westen endgültig angekommen sein und das bisherige Parteiensystem nachhaltig verändern. Sie verfehlte zwar wie die Grünen das angepeilte zweistellige Ergebnis, zog aber, bedingt durch die historisch schlechte Wahlbeteiligung von 63,6 Prozent, souverän mit 6,4 Prozent in die Bürgerschaft ein. An diesem Einzug vermochte auch die Tatsache nichts ändern, daß DKP-Mitglieder auf den Landeslisten stehen und so wahnwitzige Forderungen wie die Verstaatlichung aller Unternehmen aus der kommunistischen Mottenkiste kramen. Daß die Altkommunisten auch eine andere Gangart einschlagen können, zeigte sich in Niedersachsen, wo die Landtagsabgeordnete Christel Wegner sowohl Stasi als auch Mauer zu legitimieren versuchte.

Daß trotz dieser eindeutigen Äußerungen solche Wahlerfolge eingefahren werden, stimmte die Parteien am Wahlabend jedoch wenig nachdenklich. Zwar will man sich noch nicht mit den Linken einlassen, doch wie lange diese Lippenbekenntnisse Bestand haben werden läßt sich angesichts des bröckelnden Widerstandes gegen Linksaußen erahnen. Bedenkt man, daß sich einst Ole von Beust durch den Rechtspopulisten Ronald Schill zum Bürgermeister wählen ließ (allerdings nach vorheriger Ankündigung), hat die CDU selbst die argumentative Steilvorlage für ein rot-rotes oder rot-rot-grünes Bündnis geliefert.

Nach anfänglicher Freude bei der FDP, die nach ersten Prognosen bei fünf Prozent lag und sich damit schon in der Bürgerschaft sah, machte sich im Laufe des Abends Ernüchterung breit. Zwar konnte sie ihr Ergebnis im Vergleich zu den vergangenen Wahlen deutlich verbessern, der Sprung in der Bürgerschaft gelang mit den tatsächlichen 4,8 Prozent jedoch wieder nicht.  Katastrophale Ergebnisse gab es in Hamburg rechts der Mitte. Sowohl die Zentrumspartei mit 0,1 Prozent (675 Stimmen) als auch die unter dem Kürzel Kusch angetretene Partei "Rechte Mitte Heimat Hamburg" des ehemaligen Justizsenators Roger Kusch mit 0,5 Prozent  und  die DVU mit 0,8 Prozent sind von einem politischen Erfolg weit entfernt und werden sich überlegen müssen, welche Konsequenzen zu ziehen sind.

Dirk Nockemann, der Spitzenkandidat der Zentrumspartei, zeigte sich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT ernüchtert über das Wahlergebnis und beklagte sich über eine "höchst undemokratische" Presse, die die nationalkonservativen Parteien von Anfang an totgeschwiegen haben. Eine Überlebenschance der rechten Parteien sieht Nockemann nur dann, wenn man mit vereinten Kräften weiterkämpfen würde.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen