© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/08 29. Februar 2008

Kaum Besserung für Deutschlands Lungen
Forstwirtschaft: Trotz guter Witterung 2007 verzeichnen unsere Waldflächen weiterhin ein hohes Schadensniveau
Volker Kempf

Der Waldzustand in Deutschland hat sich 2007 gegenüber dem Vorjahr weiter verbessert", heißt es in der Waldzustandserhebung 2007 des Bundeslandwirtschaftministerium (BMELV). Dem widerspricht die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW), nach deren Einschätzung sei das "Ergebnis der Waldzustandserhebung besorgniserregend". Denn im Vergleich zu 2006 ist die Schadstufe "deutliche Verlichtung" zwar von 28 Prozent auf 25 Prozent zurückgegangen. Allerdings nahm der Flächenanteil an Beständen ohne Schäden von 32 auf 30 Prozent ab. Der in "Warnstufe" befindliche Teil wuchs von 40 auf 45 Prozent. Diese Bilanz erfolgt in einem günstigen Witterungsjahr - der Sommer war verregnet und ohne große Belastungen.

Zur Analyse ist es hilfreich, den Zeithorizont zu erweitern. Die Waldzustands­erhebungen reichen bis 1984 zurück. Damals ging die Rede von einem "Waldsterben" durch die Medien. Der Flächenanteil, der in die Schadstufe "deutliche Kronenverlichtung" fiel, betrug damals 23 Prozent und stieg im Folgejahr auf 24 Prozent an, um 1986 wieder auf 23 Prozent und dann (1987) auf 21 Prozent und 1988 auf 18 Prozent zu fallen - den niedrigsten Wert seit den Aufzeichnungen.

Und in der DDR ging es dem Wald wegen der ungefilterten Braunkohleverbrennung deutlich schlechter, was zu berücksichtigen ist, wenn man die Werte für Gesamtdeutschland ab 1991 vergleicht. Denn der Ausgangswert lag 1991 bei der Schadstufe "deutliche Kronenverlichtung" bei 30 Prozent und fiel mit dem Auslaufen der DDR-Energieproduktionsweise bis Mitte der 1990er Jahre auf Werte zwischen 21 und 23 Prozent, was die "deutliche Kronenverlichtung" anbelangt. Damit war das Niveau aus der Zeit der "Waldsterbenszeit" um 1984/86 in Westdeutschland für Gesamtdeutschland erreicht. Das blieb so bis nach dem Trockenjahr 2003. Wenn nun also für 2007 ein Wert von 25 Prozent mit deutlicher Kronenverlichtung verzeichnet wird, liegt das geringfügig über dem Niveau aus der Zeit des "Waldsterbens", der Anteil der "Warnstufe" mit 45 Prozent noch deutlich darüber, da er in den Jahren zwischen 1984 und 1986 bei Werten zwischen 33 und 38 Prozent lag. Vor diesem Hintergrund sind die Aussagen des AGDW durchaus plausibel.

Auf der Suche nach Gründen, weshalb der Waldzustand sich auf einem hohen Schadensniveau hält, nennt das BMELV die "kritischen Belastungsgrenzen der Wälder für Stickstoffverbindungen und Säure", weil sie "trotz der bereits erzielten Fortschritte in der Luftreinhaltung weiterhin großräumig überschritten" werden. Da dem so ist, fordert die AGDW, beim Umweltengagement nicht nachzulassen und Bodenkalkungen staatlich zu unterstützen: "Kurzfristig ist es geboten, die Bodenschutzkalkung zu intensivieren. Hier ist eine entsprechende Förderung bereitzustellen, da die Waldbesitzer für die festgestellten Schäden nicht verantwortlich sind. Ebenso sind die Stickstoff- und Säurebelastungen zu reduzieren."

Die minimale Verbesserung des Waldzustandes 2007 verteilt sich auf die wichtigsten Baumarten sehr unterschiedlich und ist damit für die einzelnen Regionen von der Bestandszusammensetzung abhängig. Das wird gerade für die Zukunft der Wälder von großer Bedeutung sein. Denn die Gewinnerin ist die Kiefer: Sie hat "sich weiter erholt und mit 13 Prozent deutlicher Kronenverlichtungen wieder den Stand von 2002/2003 erreicht. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einer Verbesserung um 5 Prozentpunkte."

Auch bei der Buche ist der Anteil deutlicher Kronenverlichtungen auf jetzt noch 39 gesunken. Dagegen heißt es mit Blick auf die Eichen, daß sich der "Kronenzustand ... gegenüber dem Vorjahr wieder verschlechtert" hat, "von 45 Prozent auf 49 Prozent deutliche Kronenverlichtungen". Bei der für die Waldwirtschaft wichtigen Fichte "blieb der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen mit 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr (27 Prozent) praktisch unverändert; der Kronenzustand ist jedoch deutlich besser als 2004 und 2005".

Auffällig ist, daß die Bestände im Norden - Bremen mit 5, Brandenburg mit 12, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt mit je 16 Prozent - überdurchschnittlich gute Werte ausweisen. Dort ist meist auch der Kiefernanteil relativ hoch. Am deutlichsten fällt die Kronenverlichtung in Thüringen mit 35, Hessen mit 36, Baden-Württemberg mit 40 und dem Saarland mit 45 Prozent aus. Nicht berücksichtigt werden dabei Sturmschäden. Diese schlagen 2007 durch den Orkan "Kyrill" mit einem Holzverlust in Höhe von etwa 37 Millionen Kubikmeter zu Buche, was die eher positive Gesamteinschätzung der Waldzustandsentwicklung durch das BMELV weiter relativieren muß.         

Der Bericht "Die Waldschutzsituation 2007" findet sich im Internet: www.agdw.org

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