© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Linksschwenk Marsch
Ausgerechnet der biedere Beck verordnet den radikalen Kurswechsel
Paul Rosen

Wenn man einigen Überschriften von Tageszeitungen glauben will, dann ist SPD-Chef Kurt Beck am Ende. Aber Totgesagte, so weiß der Volksmund, leben länger. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident hat seiner SPD einen radikalen Kurswechsel verordnet und strebt Bündnisse an, die man früher als Volksfront verteufelt hätte. Daß dies ausgerechnet der bieder-bürgerliche Beck macht, verwundert. Aber der Parteichef handelt - jedenfalls aus seiner Sicht - nur konsequent. Die SPD befindet sich im 30-Prozent-Turm. Mit den Grünen als Wunschpartner allein können die Sozialdemokraten keine Mehrheit mehr holen. Rot-Grün ist in der sich in atemberaubenden Tempo ändernden deutschen Parteienlandschaft nicht mehr mehrheitsfähig. Die Linkspartei nimmt der SPD Stimmen ab und mobilisiert Nichtwähler, die nicht verstehen, daß deutsche Großunternehmen einerseits Milliardengewinne einfahren und andererseits Massenentlassungen vornehmen.

Beck hat natürlich einen Fehler gemacht, indem er die Katze ein paar Tage vor der wichtigen Bürgerschaftswahl in Hamburg aus dem Sack ließ und damit eine parteiinterne Diskussion entfachte, die außerhalb der SPD-Zentrale nur noch als Chaostheater wahrgenommen wurde. Hamburg war bis vor einigen Jahren sozialdemokratisches Kernland. Doch standen die Chancen des blassen SPD-Kandidaten Michael Naumann gegen den populären CDU-Bürgermeister Ole von Beust schlecht. Aber hat Beck nicht das eigentliche Ziel erreicht? Die Bürgerlichen haben in Hamburg keine Mehrheit mehr. Die CDU ist unter 50 Prozent gefallen, die FDP nicht in die Bürgerschaft gekommen. Beust sucht nach einer schwarz-grünen Mehrheit, von der man nicht weiß, ob er sie findet und ob ein solches Bündnis die CDU nicht in den Keller drückt, weil viele ihrer Wähler solche Verbindungen strikt ablehnen.

Und wurde nicht auch in Hessen die schwarze Mehrheit beseitigt? Das war doch das erklärte Ziel der SPD. Wer jetzt das Schielen der Sozialdemokraten auf die Stimmen der Linkspartei im Landtag von Wiesbaden als Sündenfall oder als Wortbruch beschimpft wie die Kanzlerin, hat die veränderte Lage nicht begriffen. Linkspartei, Grüne und große Teile der SPD verstehen sich als ein Lager, so wie auf der anderen Seite Union und FDP sich als Lager definieren. Das linke Lager hat in Deutschland nicht zuletzt angesichts der Gewinnmaximierungs-Eskapaden des Großkapitals eine Mehrheit, außer vielleicht noch im Süden des Landes und in Niedersachsen. Diese Mehrheit wird in Berlin bereits seit Jahren genutzt, ohne daß sich jemand darüber groß aufregen würde. In Mecklenburg-Vorpommern hat es bereits eine SPD/PDS-Koalition gegeben, in Thüringen könnte sie es bald geben.

Bei den Vorgängen in der Bundes-SPD handelt es sich um späte Nachwehen. Die neue Volksfront ist längst Realität, auch wenn sich Andrea Ypsilanti noch etwas ziert, die Stimmen der Linkspartei bei der Wahl zur Ministerpräsidentin zu nutzen. Es geht nicht nur um die internationale Solidarität der Genossen überall, sondern auch um Dienstwagen, große Büros und Ministergehälter, die man nicht weiter der Koch-CDU überlassen will.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der seit Jahren mit der Linkspartei völlig geräuschlos regiert, hat die Sache kürzlich auf den Punkt gebracht. Er wies darauf hin, daß die CDU mit den Grünen rede, während man in der SPD darüber streite, ob man mit der Linkspartei reden solle. Die SPD stehe bald allein da, warnte Wowereit. Ganz so schlimm ist es nicht. Der schwarz-grüne Flirt verdient scharfe Beobachtung, Aber ob daraus eine Hochzeit wird, bleibt mehr als ungewiß.

In der SPD geht es auch um etwas anderes. Beck versucht seit dem Hamburger SPD-Parteitag, die Ministerriege und die Fraktion in Berlin in die Disziplin seiner Parteizentrale einzubinden. Der Parteitag hatte Beck gestärkt. Ohne den von ihm verordneten Linksschwenk wäre die SPD in Hessen und Hamburg gnadenlos abgestürzt und die Linke noch stärker geworden. Die Neuausrichtung der SPD stört die Ministerriege und besonders solche Techniker der Macht wie den Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück. Statt Kungeln mit Kanzlerin Angela Merkel befiehlt Beck Auseinandersetzungen - ob es um Mindestlöhne oder um Sozialpolitik geht. Steinmeier und der Fraktionsvorsitzende Peter Struck würden lieber in der Großen Koalition mit der Union Frieden halten. Beck ist derjenige, der das torpediert. Beliebt macht er sich damit nicht.

Beck will, das dürfte bald klar werden, 2009 Kanzler werden. Das wird er nicht in einer Großen Koalition, wenn die Union bei knapp 40 und die SPD etwas über 30 Prozent liegt. Die Westerwelle-FDP wird Beck nicht ins Boot einer Ampel-Koalition holen können. Die Liberalen sind fester als die Union im bürgerlichen Lager verankert. Bleibt nur die rot-rot-grüne Option.

Man darf nicht vergessen, daß bereits heute im Bundestag eine rot-rot-grüne Mehrheit existiert. 2005 war für diese Option auf Bundesebene die Zeit noch nicht reif. Aber seitdem sich die Lafontaine/Gysi-Partei auch im Westen festsetzt, hat sich die Lage geändert. Man kann es auch anders ausdrücken: Deutschland hat sich verändert.

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