© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Diverse Wahlverstöße
Präsidentenwahl Rußland
Wolfgang Seiffert

Was bei Berichten über die Präsidentenwahlen in Rußland regelmäßig unerwähnt bleibt: entsprechend der Verfassung wird der Präsident - anders als in Deutschland - in direkter Wahl vom ganzen Volk gewählt. Der Kandidat der "Partei der Einheit", Dimitri Medwedew, erhielt demnach rund 70 Prozent der Wählerstimmen und damit eine klare Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Kandidat der Kommunisten, Sjuganow, kam auf 18, Rechtspopulist Schirinowski auf neun Prozent. Aus einzelnen Gebieten Rußlands wurden Wahlverstöße verschiedener Art gemeldet und Sjuganow, aber auch Schirinowski wollen daher das Wahlergebnis vor Gericht anfechten. Aber beide sind sich im klaren darüber, daß das am Wahlergebnis nichts ändern wird. Also kann man davon ausgehen: der neue Präsident Rußlands heißt Medwedew und wird im Mai sein Amt antreten. Ebenso sicher wird Putin Chef der Regierung.

Das Programm des neuen Präsidenten verspricht die Stärkung der Unabhängigkeit der Gerichte, stärkeren Schutz des Privateigentums und entschiedene Bekämpfung der Korruption. Streit darüber wird es mit Putin nicht geben, da auch dieser hofft - oder glaubt -, nach seinen acht Amtsjahren, in denen er im Land nach eigenen Angaben Ordnung geschaffen sowie den Staat und die Wirtschaft gestärkt hat, könne man nun bald mit mehr Rechtsstaatlichkeit Ernst machen.

Doch ob dies gelingt, ist offen, denn der "Rechtsnihilismus", den Medwedew beklagt, hat in Rußland eine lange Tradition. So prägte Tschernomyrdin, als er 1998 sein Amt als Ministerpräsident aufgab, den schönen Satz: "Wir haben das Beste gewollt, aber es kam wie immer."

Mit der Verfassung wird man in Rußland also weiter sorgfältig umgehen. In den 15 Jahren, in denen die Verfassung gilt, wurde sie nicht ein einziges Mal geändert. Eine Änderung ist allerdings unter Medwedew zu erwarten: die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten auf fünf oder sieben Jahre. Wird Dimitri Medwedew 2012 also wiedergewählt, so hieße dies, daß er vielleicht erfolgreich war, aber auch noch weitere sieben Jahre im Amt bleiben würde. www.oeaw.ac.at

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen