© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Eine rechtswidrige Kampagne der EU
Umweltzonen: Fahrverbote und Plaketten sollen den Feinstaub reduzieren, der Rechtsstaat darf dem aber nicht zum Opfer fallen
Wolfgang Philipp

Die freie Benutzbarkeit vom Staat zugelassener Kraftfahrzeuge gehört zu den Grundlagen des Industriestaates Deutschland. Ohne Auto kommen viele Selbständige oder Arbeitnehmer nicht zu ihrem Arbeitsplatz, können Mütter ihre Aufgaben gegenüber Kindern oder alten Eltern nicht erfüllen - und hätte es wohl keinen Aufstieg Deutschlands zum Exportweltmeister gegeben. Rechts- und Vertrauensgrundlage hierfür ist der jedem Kfz-Halter erteilte Fahrzeugschein. Mit ihm wird nach der Straßenverkehrszulassungsordnung eine Nummer zugeteilt und dem Halter bestätigt, daß das Fahrzeug in seiner Bauart mit einer Betriebserlaubnis versehen ist.

Einen Widerruf dieser Zulassung riskiert der Halter nur, wenn er das Fahrzeug nicht dem TÜV zuführt oder es technisch verändert. Wenn sich der Staat vorbehielte, die Kfz-Zulassung jederzeit zu widerrufen, könnte niemand mehr einen Autokauf vertreten: Die Investition würde zum wirtschaftlichen Risiko. Doch mit der Feinstaub-Richtlinie der EU ändert sich dies nun. Denn durch entsprechende Änderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und dazu erlassener Verordnungen sind unter anderem die Landesregierungen ermächtigt worden, für Millionen zugelassener Kraftfahrzeuge sofort oder aufschiebend bedingt in Kraft tretende Fahrverbote zu erlassen (JF 6/08).

Wegen "Emissionen" (zur Zeit ist von Feinstaub die Rede) werden die Kraftfahrzeuge in vier Klassen eingeteilt und zu deren Unterscheidung grüne, gelbe und rote Plaketten eingeführt. Wer in Schadstoffgruppe 1 gerät, darf in "Umweltzonen" überhaupt nicht mehr fahren; zeitlich unbegrenzt freie Fahrt haben nur die Inhaber grüner Plaketten. Wer eine gelbe oder rote Plakette erhält, hat nur noch eine in den einzelnen Städten unterschiedliche Auslauffrist, nach der er sein Fahrzeug nicht mehr benutzen darf. Jeden Tag kann sich an vielen Orten die Rechtslage ändern, die Freizügigkeit ist zerstört, die im Fahrzeugschein enthaltene Erlaubnis widerrufen oder eingeschränkt.

Durch das Schengen-Abkommen sind alle Außengrenzen geöffnet worden. Innerhalb des Landes aber gibt es jetzt wieder Handel und Wandel zerstörende Grenzen, noch von "deutscher Einheit" zu reden wird zur makabren Satire. Neben ihrer Freizügigkeit verlieren Millionen von Haltern ihr in den Kraftfahrzeugen steckendes Vermögen. Außerdem wird ihre auf der freien Benutzbarkeit des Fahrzeuges gegründete Existenz in Beruf und Familie gefährdet. Vielen dieser Kfz-Halter ist der Kauf eines Neufahrzeuges finanziell nicht möglich. Die bisher übliche Ersatzbeschaffung durch ein gebrauchtes Fahrzeug entfällt auch, weil gebrauchte Fahrzeuge mit gelber oder roter Plakette ebenfalls ihre Fahrerlaubnis und ihren Wert verlieren werden. Niemand wird sie mehr zum Gebrauch im Inland kaufen, man wird sie nicht einmal mehr in Zahlung geben können. Der Schaden ist aber nicht auf den Wertverlust des Fahrzeugs beschränkt: Wenn der Kfz-Halter mangels eines freizügigen Fahrzeugs seinen Arbeitsplatz verliert, können hohe Folgeschäden auftreten.

Noch ist der Bürger aber nicht wehrlos: Die Erteilung des nicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehenen und meist den Zusatz "Keine Auflagen" enthaltenden Kfz-Scheines stellt einen bestandskräftigen "begünstigenden Verwaltungsakt" dar. Ein solcher kann nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz nur ganz ausnahmsweise, etwa um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten, durch einen neuen, seinerseits anfechtbaren Verwaltungsakt widerrufen werden. Durch Gesetz oder Verordnung allein kann er nicht widerrufen werden. Bei Widerruf hat die Behörde den Betroffenen für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, daß er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat.

Diese auch für Kraftfahrzeugscheine geltende Vorschrift scheint in dem Gesetzgebungsverfahren und in der eingeleiteten Verwaltungspraxis übersehen worden zu sein. Auch enthält § 40 des Bundesimmissionsschutzgesetzes, welcher das eingangs dargestellte Enteignungsszenario vorsieht, keine Vorschriften über eine Enteignungsentschädigung. Eine solche Regelung muß aber nach Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes in einem Gesetz, welches zu Enteignungen ermächtigt, enthalten sein; anderenfalls ist das Gesetz nichtig. Dieser Fall ist hier gegeben. Auch trifft die Regelung die einzelnen Kraftfahrer ganz unterschiedlich: Ein angeblicher "Stinker", der wenig gefahren wird, emittiert weniger als ein Fahrzeug mit einer höheren Einstufung, das eine viel höhere Kilometerleistung aufweist. Schließlich fehlt der ganzen Aktion inzwischen die Rechtfertigung in der Sache, weil nach vorliegenden Gutachten die dem Ganzen zugrunde liegende Feinstaubbelastung so stark zurückgegangen ist, daß sich ein rechtfertigender Grund für den Eingriff in die Rechte der Autofahrer nicht mehr finden läßt.

Es gibt eine ganze Reihe von rechtlichen Ansatzpunkten, welche die Bürger nutzen sollten. Hier hat die EU die deutsche Rechtsordnung beiseite geschoben - das kann keinen Bestand haben. Auf der rechtlichen Ebene ist Widerstand geboten. Der Rechtsstaat darf der Umweltpolitik nicht zum Opfer fallen.

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