© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

In schwerer Not
Drama: "Im Tal von Elah" überzeugt durch seine Darsteller
Michael Insel

Wenn Tommy Lee Jones in die Rolle nicht hineingeboren wurde, scheint er doch unkündbar auf sie abonniert: Daß er den knorrigen, lakonischen Gesetzeshüter mit vielen Jahren Erfahrung auf dem Buckel mittlerweile überzeugender spielt als Clint Eastwood, will einiges heißen. Und wie der Zufall es will, kommt eine Woche nach dem Oscar-Absahner der Coen-Brüder, "No Country for Old Men", ein zweiter Film in hiesige Kinos, in dem er ihn verkörpert. Beide Thriller spielen in einem New Mexico, dessen karge Landschaft der britische Kameramann Roger Deakins auf die Leinwand bannte, in beiden geht es um eine ungemein grausame Bluttat, die beidesmal im Off stattfindet.

Drehbuchautor Paul Haggis, der 2004 mit dem stellenweise allzu melodramatischen Episodenfilm "L. A. Crash" sein Regiedebüt drehte, hat sich diesmal von einem Playboy-Artikel über einen rätselhaften Mord inspirieren lassen. "Im Tal von Elah" handelt von den psychologischen Wunden, die der Krieg - hier im Irak, genausogut hätte es Vietnam, Kuweit oder Afghanistan sein können - bei den jungen Menschen hinterläßt, die auszogen, um für mehr oder minder hehre Ideale zu kämpfen.

Jones spielt Hank Deerfield, selber ein Kriegsveteran, der in Vietnam als Militärpolizist diente. Inzwischen hat er eine Speditionsfirma in einer Kleinstadt in Tennessee, eine attraktive Frau (eine starke schauspielerische Leistung von Susan Sarandon in einer schwachen Rolle) und ein Haus in einer schmucken Gegend. Einen Soldatensohn haben sie bereits bei einem Hubschrauberunfall verloren, und so befürchtet Hank Schlimmes, als ihm mitgeteilt wird, daß sein Jüngster, Mike, sich nach der Rückkehr aus dem Irak von der Truppe abgesetzt hat. Kurzentschlossen macht er sich auf den Weg nach Fort Rudd, und siehe da - kaum ist er angekommen, taucht die Leiche seines Sohns auf.

Die Polizei will für die Ermittlungen nicht zuständig sein, und bei der Armee gibt man sich zwar hilfsbereit, aber nicht sonderlich kompetent: Soll hier etwas vertuscht werden? So nimmt Hank die Sache selbst in die Hand und begibt sich auf eine Suche voller Trauer. Sie führt ihn in schmuddelige Lokale, eine Oben-ohne-Bar, auf das Territorium der Chicano-Drogenbanden, immer weiter weg von seinem patriotischen Glauben an sein Land und endlich in offenen Konflikt mit der Armee, in der er stolz gedient hat.

Verlassen kann er sich dabei nur auf einen namenlosen Computerfachmann, der die Nachricht entschlüsselt, die Hanks Sohn in Bagdad auf seinem Mobiltelefon aufzeichnete, und eine Kriminalpolizistin (Charlize Theron), der die männlichen Kollegen gnadenlos das Leben vergällen. Am Ende kehrt Hank nach Hause zurück, um das Sternenbanner verkehrt herum zu hissen - laut US-Flaggencode ein Hilferuf in schwerer Notlage, in der Bildsprache des Films die Fahne eines zum Stoiker Geläuterten.

Haggis hat diesmal einen straffen, spannungsreichen Psychokrimi ins Kino gebracht, der allen Figuren genug Raum gibt, sich zu entwickeln, und doch ohne große Testoteronschübe auskommt. Charlize Theron als Emily ist in einer schwierigen Rolle so sehenswert wie immer, doch dieser Film gehört Tommy Lee Jones, dessen eindringliche Darbietung 120 Minuten lang die Leinwand füllt - und sei es nur, daß er Emilys sechsjährigem Sohn das biblische Gleichnis von Davids Kampf gegen Goliath im Tal von Elah als Gutenachtgeschichte erzählt.

Foto: Tommy Lee Jones, Susan Sarandon: Starke Leistungen

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