© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Klassengenossen
Karl Heinzen

Als Mundwasserfabrikant kann dem Schweizer Thomas Minder niemand seine Expertise auf dem Gebiet der Hygiene streitig machen. In der Vergangenheit kreisten seine Gedanken aber allein um den einzelnen Menschen, dem er Hilfestellung bieten wollte, ein dem Gebot der Reinlichkeit gemäßes Leben zu führen. Heute ist ihm klar, daß diesem Gebot nicht nur in der individuellen Sphäre Beachtung zu schenken ist. Auch der Volkskörper muß ihm Rechnung tragen.

Doch dieser ist, so hat Minder feststellen müssen, von einer Plage befallen. Parasitäre Top-Manager haben sich in großen Unternehmen eingenistet und betreiben auf Kosten des Ganzen, das heißt der Anteilseigner, eine schamlose Bereicherung. Gegen diese Schädlinge gilt es, drakonische Mittel der gesellschaftlichen Hygiene zur Anwendung zu bringen. Minder schlägt vor, daß in Zukunft die Aktionäre auf der Hauptversammlung unmittelbar über die Bezüge von Vorständen und Aufsichtsräten entscheiden sollen. Auch gehören Abfindungen, Prämien und Vorauszahlungen nach seiner Auffassung verboten.

Minder will seine Ideen in der Schweiz mittels einer Volksabstimmung durchsetzen. Nachahmer in Deutschland sind somit nicht zu befürchten, da unsere Verfassung eine Einflußnahme der Bürger auf die Bundespolitik auf die Möglichkeit zur Stimmabgabe bei gelegentlichen Parlamentswahlen beschränkt. Gleichwohl ist auch bei uns schon seit längerem eine gehässige Kampagne gegen die Managerelite im Gange, die Populisten jeglicher Couleur für sich zu nutzen versuchen.

Erstaunlicherweise gehen ihr sogar Linke auf den Leim, obwohl diese doch noch am ehesten einen Begriff davon haben sollten, wie unser Wirtschaftssystem tatsächlich beschaffen ist. So müßten sie eigentlich wissen, daß die Ausbeutung von jenen betrieben wird, die Eigentümer der Produktionsmittel sind und daher andere für sich arbeiten lassen können. Bloße Manager hingegen bleiben, auch wenn sie Millionenbezüge kassieren, eben doch nur Angestellte. Sie mögen über eine größere Unabhängigkeit als die gewöhnlichen Beschäftigten verfügen, da sie für Notzeiten etwas mehr auf die hohe Kante legen können. So wie alle Geringverdiener auch, arbeiten sie aber unter dem Strich für andere, die sich an dem, was sie schaffen, bereichern. Arbeiter und kleine Angestellte haben keinen Grund, die Solidarität mit ihren Klassengenossen in den Chefetagen zu kündigen.

Wer die Managerbezüge deckeln will, dient den Interessen des Kapitals, das seinen Profit erhöhen möchte - und nicht jenen der Beschäftigten.

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