© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/08 07. März 2008

Entdämonisierung ohne Beschönigung
Henning Hansens Studie über die Geschichte der SRP - und die Befindlichkeit der frühen Bundesrepublik
Hans Brandlberger

In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat bislang lediglich zwei Parteien das Schicksal eines Verbots ereilt, und diese Fälle liegen unterdessen bereits über ein halbes Jahrhundert zurück. Am 26. November 1952 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Sozialistische Reichspartei (SRP) für aufgelöst, das Verfahren gehörte zu den ersten, mit denen die erst seit September 1951 arbeitsfähige höchste juristische Instanz unseres Landes befaßt war. Am 17. August 1956 erging in Karlsruhe nach fünfjährigem Prozeß das Verbotsurteil gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), dieses Verfahren war von der Bundesregierung ganze drei Tage nach jenem gegen die SRP auf den Weg gebracht worden.

In den folgenden Jahrzehnten hielt die Staatsgewalt diese Ultima ratio in der Auseinandersetzung mit extremistischen Bestrebungen nicht für opportun. Die an Moskau und Ost-Berlin orientierten Kommunisten erhielten im Zuge der Entspannungspolitik die Gelegenheit, in Gestalt der 1968 gegründeten DKP in die Legalität zurückzukehren. Gegen die zahlreichen leninistischen und maoistischen Parteien, die als burleske Nachhut der 1968er-Bewegung über einen durchaus nennenswerten Anhang verfügten und in den 1970er Jahren für reichlich Wirbel sorgten, wurden in der Öffentlichkeit zwar immer wieder Drohungen ausgesprochen, man könnte ja auch ihr Verbot betreiben. Folgen zeitigten diese jedoch nicht, und das Glück wollte es, daß die Behelfsstrategie, das Problem auszusitzen, aufging. In den 1980er Jahren reihten sich so manche Kader der einstigen K-Gruppen auf dem Ticket der Grünen artig in den Verfassungsbogen ein.

Auch der NPD war in ihrer Erfolgsphase in der zweiten Häfte der 1960er Jahre immer wieder mit einem Verbot gedroht worden, da sie ein laxes und kokettes Verhältnis zur NS-Vergangenheit an den Tag legte, das in der Bundesrepublik dieser Zeit aber durchaus nicht aus dem Rahmen fiel. Erst der zu einer militanten Kleinstpartei herabgesunkenen NPD des Jahres 2001 wurde plötzlich soviel Relevanz beigemessen, daß das Verfassungsgericht in Aktion zu treten hätte. Der Prozeß endete 2003 nach zahlreichen Peinlichkeiten unrühmlich, indem die Richter ihn "aus Verfahrensgründen" einstellten, ohne daß es zu einer Prüfung der Verfassungswidrigkeit der Partei gekommen war.

Obwohl an Literatur über rechtsextremistische Aktivitäten im Nachkriegsdeutschland sicherlich kein Mangel herrscht, ist das Wissen über die SRP, die in den gerade einmal drei Jahren ihrer Existenz einen aufsehenerregenden Aktionismus entfaltete und in Nieder­sachsen und Bremen auch an den Wahlurnen reüssierte, bislang nur fragmentarisch. Diese Lücke wird nun durch die Dissertation von Henning Hansen eindrucksvoll geschlossen. Frei von jeglicher Attitüde, neo-nationalsozialistische Bestrebungen nach 1945 verharmlosen zu wollen, gelingt es ihm in seiner akribischen Studie, die neben bereits den Zeitgenossen zugänglichen Materialien insbesondere auch Archivbestände aus nachrichtendienstlichen Quellen einbezieht, landläufige Klischees über die SRP zu relativieren, indem er schlicht und ergreifend ihre Verlautbarungen, Organisationsstrukturen und Agitationsmethoden im Kontext der Parteienlandschaft der frühen Bundesrepublik betrachtet. Auf diese Weise entsteht das Bild einer Partei, die, stets von Führungskrisen und Finanzschwäche geplagt und nur in sehr wenigen Bundesländern wirklich verankert, kaum das Potential besaß, zu einer überregionalen Massenpartei anzuwachsen. Wäre es ihr dennoch gelungen, Einfluß auf das politische Geschehen in Westdeutschland zu nehmen, hätten zudem die Alliierten, die de facto die Souveränität ausübten, den Spuk mit einem Federstrich beenden können. Nicht zuletzt der Wunsch, dieses Szenario manifester Fremdbestimmung und den drohenden Imageschaden für die nur vermeintlich auf eigenen Füßen stehende Bundesrepublik zu vermeiden, scheint im übrigen Adenauer dazu veranlaßt zu haben, das Verbot der SRP zu betreiben.

Die bloße Programmatik der Partei fiel, dies stellt Hansen heraus, nicht aus dem zeitgenössischen Rahmen, und trotz staatlicher Repressionen hart am Rande der Legalität, stand sie keineswegs unter bedingungsloser Quarantäne. Ihre ersten Mandatsträger auf Landesebene waren Überläufer aus der CDU, ein niedersächsischer Abgeordneter der unterdessen vom Verbot bedrohten Partei fand 1952 eine neue Heimat in der FDP. Heinrich Hellwege, Bundesvorsitzender der Deutschen Partei (DP) und Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates, soll einer Regierungsbeteiligung der SRP in Niedersachsen aufgeschlossen gegenübergestanden haben, um die Sozialdemokraten von der Macht zu verdrängen. Kurz vor dem Verbot versuchte die CDU, einzelne Mandatsträger auf ihre Seite zu ziehen, um die Mehrheitsverhältnisse im Lande zu kippen. Insgesamt war die Abgrenzung von CDU, FDP und DP nach rechts alles andere als stringent, was die britische Besatzungsmacht dazu veranlaßte, auch diese Parteien ob der in ihnen schlummernden extremistischen Potentiale zu beargwöhnen. Ihnen blieb es erspart, daß in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die bestehenden hochrangigen Verbindungen zur SRP aktenkundig wurden: Ein entsprechender Beweisantrag der Beklagten wurde nicht zugelassen.

Hansen führt darüber hinaus Indizien an, die darauf hinweisen, daß in der SPD nach dem Verbot der SRP erwogen wurde, eine Nachfolgeorganisation zu dulden, die die Opposition gegen Adenauer stärken und der Union Stimmen entziehen könnte. In der Tat hatte sich die SRP in Kampagnen gegen die West-integration und eine sich unter diesem Vorzeichen anbahnende Wiederbewaffnung eingeklinkt, was sie sogar an die Seite der KPD führte und in der Öffentlichkeit dem Verdacht aussetzte, ein verlängerter Arm der SED zu sein.

In den frühen 1950er Jahren war die von Bonn betriebene außen- und sicherheitspolitische Weichenstellung zur Integration der Bundesrepublik in eine westeuropäische Wirtschaftsgemeinschaft und ein militärisches Bündnissystem unter Führung der USA innenpolitisch keineswegs durchgesetzt. Eine oppositionelle Rechtspartei auf Anti-Adenauer-Kurs mit parlamentarischer Verankerung hätte der Regierung in Bonn das Leben nicht leichter gemacht. Auch in dieser Hinsicht war die SRP ein Anachronismus, der keine Duldung erlaubte.

Henning Hansen: Die Sozialistische Reichspartei. Aufstieg und Scheitern einer rechtsextremen Partei. Droste Verlag, Düsseldorf 2007, gebunden, 318 Seiten, Abbildungen, 49,80 Euro

Foto: Otto Ernst Remer 1950 bei einer SRP-Veranstaltung: Programmatik hart am Rande der Legalität

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