© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Hans Küng, das Enfant terrible der katholischen Kirche, wird achtzig
Der letzte Professor
Sabrina Moritz

Vom Rottenburger Bischof Georg Moser gibt es ein Bild mit Symbolcharakter: Der Priester mit Aktentasche, Mantel und Hut, Sohn eines Schmiedes aus dem Allgäu, verläßt mit angestrengtem Blick das Tübinger Privathaus von Hans Küng. Das Bild entstand 1979, bis zuletzt hatte Moser in dem Streit zwischen Theologieprofessor und Vatikan zu vermitteln versucht. Im Vergleich zu dem bäuerlich-kantigen Moser konnte der bürgerlich-professorale Küng nicht unterschiedlicher sein.

Am 19. März vor achtzig Jahren geboren, wuchs dieser als Sohn einer Kaufmannsfamilie im Kanton Luzern auf. 1960 wurde er Professor für Fundamentaltheologie in Tübingen. Seit 1970 profilierte sich der Vielschreiber als Kritiker der Päpste, 1970 stellte er mit dem Buch "Unfehlbar?" ebenjenes Dogma in Frage. Der 1974 erschienene Band "Christ sein" führte zu dem Prozeß, an dessen Ende 1979 die Entziehung der "missio canonica" stand. Zum Medienstar war er da schon längst geworden.

Wenn Küng wider Zölibat und Abtreibungsverbot löckt und weibliche Priester wie Empfängnisverhütung befürwortet, kann er sich des Beifalls sicher sein. Er ist freilich intelligent genug, um zu wissen, daß der Applaus oft aus einer Ecke kommt, die auch mit einem Christentum, wie er es wünscht, wenig zu tun haben will - denn das "Credo" (so ein 1992 erschienenes Buch) will er nicht missen. Nicht übersehen konnte er auch, daß seine Infragestellung von Dogmen zum Erosionsprozeß der Weltkirche beigetragen hat und der Name Küng für Kirchenferne, Freidenker und Antiklerikale mit Personen wie Uta Ranke-Heinemann oder Eugen Drewermann verbunden ist - Theologen, die auch den von Küng gewollten Katholizismus schon längst hinter sich gelassen haben. Und gerade weil Küng sich noch immer als Katholik und Priester versteht, muß er sich um so schärfere Kritik gefallen lassen.

Küngs Herzensanliegen ist eine Art Dialog der Weltreligionen. Freundliche Worte fand Küng aber auch für Erzbischof Lefebvre. Zwar teilt er dessen Positionen nicht, kritisierte aber den Umgang des Vatikans mit dem Traditionalisten. Wäre man sensibler mit dem Franzosen verfahren, ein Schisma hätte verhindert werden können. Küng ist mit Walter Jens der letzte Überlebende einer von Ernst Bloch und Theodor Eschenburg repräsentierten kritischen Tübinger Gelehrtenwelt. Küngs Theologie, sein Öffentlichkeitsanspruch, seine Forderungen - sie mögen nicht behagen. In der von Hochschulreformen bedrohten deutschen Gelehrtentradition war Küng jedoch immer das, was "Professor" eigentlich bedeutet: ein leidenschaftlicher Bekenner seiner Erkenntnisse. Dafür verdient er Respekt, denn solche Professoren werden an deutschen Universitäten zwischen Bologna und Evaluation immer seltener. Was Maximilan Harden über den umstrittenen Hofprediger Adolf Stoecker nicht ohne Anerkennung schrieb, auf Küng trifft es auch zu: "Kein fleckenloser Priester, aber ein Mann."

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