© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Auf der Suche nach der richtigen Formulierung
Integration: Die von Bundesinnenminister Schäuble einberufene Islam-Konferenz tritt zusammen und versucht Islam und Grundgesetz unter einen Hut zu bringen
Peter Freitag

Die Deutsche Islam-Konferenz (DIK) kommt diese Woche zu einer weiteren Plenumssitzung zusammen. Dabei sitzen wieder 15 Vertreter des deutschen Staates aus Bund, Ländern und Gemeinden mit der gleichen Anzahl von Repräsentanten der in Deutschland lebenden Moslems zusammen, um sich über die Ergebnisse der Beratungen in den jeweiligen Arbeitskreisen auszutauschen. Diese sind in drei verschiedene Sachgebiete unterteilt: "Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens", "Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis" sowie "Wirtschaft und Medien als Brücke". Außerdem gibt es noch einen "beigeordneten" Gesprächskreis zum Thema "Sicherheit und Islamismus", der nach offizieller Auskunft des Bundesinnenministeriums "Fragen der inneren Sicherheit, islamistischer Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie der Prävention islamistischer Gewalttaten" erörtern soll.

Während diese Arbeitskreise in kurzen Abständen regelmäßig beraten, trifft das Plenum der DIK nur etwa alle sechs Monate zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen. Erstmals war die DIK am 27. September 2006 unter der Schirmherrschaft von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin zusammengekommen. Ziel dieser Konferenz ist nach Angaben der deutschen Verantwortlichen eine verbesserte "religions- und gesellschaftspolitische Integration" der in Deutschland lebenden Moslems.

Am Ende dieses Dialogs soll nach den Wünschen der Bundesregierung eine bindende "Übereinkunft zwischen der deutschen Aufnahmegesellschaft und der muslimischen Bevölkerung Deutschlands" herauskommen: "Hierbei steht insbesondere die verbindliche Beachtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Vordergrund. Jeder, der in Deutschland lebt, muß unsere Verfassungs- und Rechtsordnung akzeptieren und respektieren", sagte Schäuble in seiner Eröffnungsrede vor eineinhalb Jahren. Diesem Ziel ist man offensichtlich noch nicht nähergekommen. Bisher konnten sich die dreißig ständigen Teilnehmer noch nicht auf eine Formulierung über die Vereinbarkeit zwischen moslemischer Religionspraxis und den im Grundgesetz niedergelegten Werten (wie zum Beispiel die Gleichberechtigung von Mann und Frau) einigen.

Während auf deutscher Seite in den Stellungnahmen stets von "interkulturellem Dialog", "wechselseitigem Respekt" und "breit angelegtem Konsens" die Rede ist, wird ebendies beim Gegenüber erst einmal durch einen weiter schwelenden internen Zwist erschwert. Denn die vom Innenministerium zum Meinungsaustausch Geladenen könnten unterschiedlicher kaum sein: Außer Vertretern mohammedanischer Interessenverbände, die zuweilen unter dem Einfluß einiger vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen stehen (Mili Görüs, Muslimbrüder), finden sich auch organisationsunabhängige, zum Teil explizit islamkritische, säkulare Einwanderer. Deren Teilnahme ist freilich von der staatlichen deutschen Verhandlugsseite her ausdrücklich erwünscht, da nur ein geringer Teil der hier lebenden Einwanderer aus dem islamischen Kulturkreis tatsächlich innerhalb eines Verbandes organisiert ist.

Diese internen Spannungen erleichtern nicht gerade die Lösung des Problems, wie man das Miteinander von westlicher Lebensweise und islamischer Religionsausübung harmonischer gestalten könnte.

Oft benannt, doch noch immer nicht im Ansatz gelöst ist auch die Unübersichtlichkeit der moslemischer Gemeinschaften. Das Fehlen eines verbindlichen Verhandlungspartners für die deutschen Behörden nutzten in der Vergangenheit am besten die gut organisierten und finanziell ausgestatteten Verbände aus, die am lautesten auf die Gültigkeit der Scharia - der islamischen Rechtsordnung - pochen. Und so sorgte auch der vor einem Jahr vorgenommene Zusammenschluß von Islamrat (IR) und dem konkurrierenden Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) mit der mächtigen staatlich-türkischen Religionsbehörde Ditib zum "Koordinierungsrat der Muslime" im Vorfeld der zweiten Plenarsitzung der Islam-Konferenz für Unmut. Insbesondere die eher gemäßigte und bisher wichtigste Interessenvertretung türkischer Einwanderer, die Türkische Gemeinde in Deutschland, sah in diesem Schritt eine Gewichtsverlagerung zugunsten fundamentalistischer Ansprüche und eine Schwächung des säkularen Türkentums.

Aktueller Konfliktstoff dürfte auch für die nunmehr dritte Plenarsitzung Ende dieser Woche reichlich vorhanden sein: Da sind zum einen die jüngsten Fälle gewalttätiger Übergriffe Jugendlicher aus Einwandererfamilien, von denen der Münchener "U-Bahn-Schläger" nur der spektakulärste, aber bei weitem nicht der einzige gewesen ist; zum anderen haben die Berichterstattung türkischer Medien im Fall des Ludwigshafener Wohnhausbrandes sowie Auftritte des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan in Köln das Verhältnis zwischen Deutschen und türkischen Einwanderern eher belastet, als daß sie auf eine verbesserte Integration hindeuteten.

Auch in den Randbereichen der Integrationsdebatte, auf die kein so starkes Interesse der Medien fällt, gäbe es einiges zu klären. So starteten mit großen Erwartungen in einigen Bundesländern - darunter die von CDU und FDP regierten Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen - Modellversuche für einen islamischen Religionsunterricht, dessen Erteilung sich am Vorbild des christlichen orientiert; das heißt, die Lehrer unterstehen der Aufsicht des Staates, die Lehrinhalte werden von der jeweiligen Glaubensgemeinschaft mit den Kultusministerien abgestimmt.

Vor allem soll jedoch der Unterricht in deutscher Sprache stattfinden. Da in Deutschland ausgebildete Lehrkräfte noch nicht in nennenswerter Zahl zur Verfügung stehen und entsprechende Studienrichtugen erst gerade eingerichtet wurden, greift man meistens auf Personal mit einer Ausbildung im Herkunftsland zurück, wobei die Vergleichbarkeit der pädagogischen Qualifikation unter deutschen Kollegen zumindest umstritten ist. Von offizieller Seite ist bisher wenig über Erfolg oder Mißerfolg des Modellversuches zu erfahren.

Das schließt auch die Frage ein, wie viele Kinder aus praktizierend moslemischen Familien tatsächlich am staatlich geregelten Religionsunterricht teilnehmen oder wie viele inzwischen von ihren Eltern wieder abgemeldet wurden. Für so einen Schritt müssen noch nicht einmal inhaltliche Differenzen ausschlaggebend sein: In einem dieser Zeitung bekannt gewordenen Fall betraf es ein türkischstämmiges Kind, das im Islam-Unterricht nur noch wenig verstand, da der aus einem nordafrikanischen Land stammende Lehrer immer häufiger Arabisch sprach.

Foto: Bundesinnenminister Schäuble (CDU): Als Moderator gefragt

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