© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Die Mehrheit steht weiter links
Spanien: Die Sozialisten von Premier Zapatero können weiterregieren / Zuwachs für Konservative, Schlappe für Regional- und Kleinparteien
Martin Schmidt

Das bürgerlich-konservative Lager in Spanien hat ein ähnliches Grundproblem wie die politischen Gesinnungsgenossen in Deutschland: Die Linke besitzt mittlerweile eine - von den meisten Medien nachhaltig gestützte - strukturelle Mehrheit. So konnten die Sozialisten (PSOE) von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero die Parlamentswahl vom letzten Sonntag dank einer hohen Beteiligung von 75,3 Prozent mit einem Stimmenanteil von 43,6 Prozent gewinnen und 169 der 350 Sitze im Congreso (2004: 42,6 Prozent/164 Sitze) erzielen.

Die maßgeblich von der katholischen Kirche und speziell dem einflußreichen Erzbischof von Madrid, Antonio María Kardinal Rouco Varela, unterstützte konservative Volkspartei (PP) konnte zwar von 37,7 auf 40,1 Prozent zulegen und ebenfalls fünf Mandate (nun 153) hinzugewinnen. Doch der PP von Oppositionsführer Mariano Rajoy Brey fehlen die potentiellen Regierungspartner. Die PSOE hingegen kann mit den Abgeordneten kleiner Regionalparteien erneut eine Minderheits- oder Koalitionsregierung bilden. Auch im Senat, wo die PP mit 101 von 208 Sitzen stärkste Kraft bleibt, dürfte es ähnlich laufen.

Für Rajoy ist dieses Ergebnis frustrierend, zumal man sich mit einem pointierten Wahlkampf zu den wirklich relevanten Themen - Massenzuwanderung, Werteverfall, wirtschaftliche Stagnation und Terrorbekämpfung - mehr erhoffte. Doch seine Partei mobilisierte vorrangig nur die eigenen Anhänger (JF 11/08).

Inwieweit der mutmaßlich von der Eta verübte Mord an dem sozialistischen Politiker Isaías Carrasco zwei Tage vor der Wahl der für einen harten Kurs gegen die baskischen linken Ultras eintretenden PP nutzte oder doch eher der für eine Verhandlungslösung plädierenden PSOE, ist Spekulation. Die Erfahrung der letzten Parlamentswahl, als viele Bürger drei Tage nach den blutigen islamistischen Anschlägen in Madrid der (den Irak-Abzug versprechenden) PSOE die Stimme gaben (die regierende PP hatte die Bombenserie in Nahverkehrszügen zunächst der Eta angelastet), deutet allerdings darauf hin, daß die Spanier im Ernstfall vor radikalen Lösungen zurückschrecken. Offene Kampfansagen, egal ob im Irak oder gegen die Eta, sind offenbar nicht mehrheitsfähig.

Statt dessen hievten die Wähler erneut eine gesellschaftspolitisch weit links stehende Regierung an die Macht, die den baskischen Untergrundkämpfern mit parlamentarischer Rückendeckung Friedensgespräche anbot, den einstigen Antiterrorpakt mit der PP zerbrechen ließ und erst nach weiteren Anschlägen und neuerlichen Unabhängigkeitsforderungen das Scheitern der Verhandlungen zugeben mußte. Wenige Monate vor der jetzigen Wahl gestand Zapatero dann sogar ein, daß er heimlich weiterverhandeln ließ, was ihm von der PP den Vorwurf der Lüge einbrachte.

Aus Sicht der nun wieder als Zünglein an der Waage benötigten Klein- und Regionalparteien hat das Wahlergebnis vom 9. März zwei Seiten. Einerseits winkt damit die Chance, weitere Sonderrechte aushandeln zu können. Andererseits fielen ihre Ergebnisse überraschend mager aus: Während die christdemokratische katalanisch-nationalistische CiU mit elf Mandaten (+1) drittstärkste Partei blieb, büßte die linksnationalistisch-katalanische ERC mit nur drei Mandaten fünf Sitze ein. Die Baskische Nationalpartei (EAJ-PNV) kommt auf sechs statt bisher sieben Mandate. Hinzu addieren sich je zwei Sitze für den Galicischen Nationalistischen Block (BNG) und die kanarische CC-PNC sowie je ein Mandat für die Basken in Navarra (NA-BAI) und die erstmals kandidierende Union für Fortschritt und Demokratie (UPyD), die offensiv gegen den militanten Nationalismus im Baskenland auftritt. Die Eta-nahen Linksparteien waren im Vorfeld der Wahl verboten worden, so daß die radikalen Sezessionisten im Baskenland einen Boykott verkündet hatten und die Wahlbeteiligung dort um acht Prozentpunkte absank.

Die Regierungsbildung dürfte für Zapatero auf jeden Fall nicht leicht werden. Denn ob er mit der postkommunistischen Vereinigten Linken (IU) zusammengeht, die von knapp fünf auf 3,8 Prozent abgestürzt ist und - wegen des regional fundierten Wahlrechts - nur noch zwei von fünf Sitzen behaupten konnte, ist trotz seines ausgewiesenen Linkskurses höchst fraglich. Deren 25-Punkte-Katalog beinhaltet Forderungen nach völliger Freigabe von Abtreibungen, höheren Steuern für Besserverdienende und Banken sowie dem Abzug der spanischen Truppen aus Afghanistan und dem Libanon.

Auch bei einer Zusammenarbeit mit nationalistischen Parteien aus Katalonien oder dem Baskenland müßten die Sozialisten Kompromisse eingehen, die schwer zu vermitteln wären. Denn zumindest die beiden größten Formationen, die CiU und die EAJ, sind christdemokratisch ausgerichtet und stehen für weitreichende Autonomieforderungen bzw. sogar für das Versprechen einer Volksbefragung zur Unabhängigkeit.

Und das absehbare Platzen der spanischen Immobilienblase mit europaweit unabsehbaren Folgen dürfte Spanien tiefgreifender erschüttern als jeder Terroranschlag der Eta-Aktivisten.

Foto: Sieger Zapatero: Dem Premier dürfte das Lachen bald vergehen

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen