© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

WIRTSCHAFT
Das Debakel der Pflegeversicherung
Jens Jessen

Als die Pflegeversicherung 1994 in die deutsche Welt kam, wurde sie als soziale Großtat gefeiert: Nie wieder sollte durch die Pflege Armut über die Betroffenen kommen. Derzeit sind 2,1 Millionen Deutsche pflegebedürftig, 2020 sollen es 3,2 Millionen sein. Hintergrund ist das Zusammentreffen einer Reihe gesellschaftlicher Veränderungen, in deren Zentrum die deutliche Zunahme der Zahl alter Menschen steht. Wie sich die Pflegebedürftigkeit entwickeln wird, ist Gegenstand einer Reihe von Prognosen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet für 2050 mit insgesamt 4,7 Millionen Pflegebedürftigen. Gegenüber 2000 wäre dies eine Steigerung um 124 Prozent. Wenn das Finanzierungsverfahren der umlagefinanzierten Pflegeversicherung beibehalten wird, müssen die Beiträge bis 2015 von 1,7 Prozent auf 3,5 Prozent angehoben werden.

Häufig rechnen betroffene Pflegepersonen nicht damit, daß zwischen der Leistung aus der Pflegekasse und der Rechnung für einen Heimaufenthalt eine nicht geringe Lücke klafft. Für die Differenz haben der Betroffene oder seine Kinder aufzukommen. Das Einkommen bleibt da nicht verschont. Die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung haben noch nie die tatsächlichen Kosten einer stationären Pflege abgedeckt. Mit den Jahren ist die Lücke immer größer geworden. Heute erstattet die Pflegeversicherung im Fall von Schwerstpflegebedürftigen (Pflegestufe III) 1.432 Euro je Kalendermonat. In Ausnahmefällen werden 1.688 Euro erstattet. Dem stehen in der stationären Pflege - je nach Qualität des gewählten Hauses - Kosten in Höhe von 3.000 bis 5.000 Euro gegenüber. Die Politik sollte ihr 1994 gemachtes Versprechen einlösen: Kein Bürger darf als Pflegefall in Armut fallen.

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