© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/08 14. März 2008

Frisch gepresst

Axel Springer. Das Leben des "Mammutverlegers" Axel Springer (1912-1985) ist ein Bienenkorb der Widersprüche. Zwei Kinder seiner Schwester fallen in Hamburg dem britischen Luftterror zum Opfer. Ihr Onkel reagiert exakt so wie der Churchills Bomber mit "Endlich!" bejubelnde Zeit-Gründer Gerd Bucerius: mit "versteinerter Mitleidlosigkeit". Eine der elegantesten Frauen der 40er und 50er Jahre, die Danzigerin Rosemarie Lorenz, Frau Springer Nummer drei, Tochter eines SS-Generals, "Liebling des Führers und Reichskanzlers", erzog den eifrigen Philosemiten seit 1948 zu großbürgerlicher "Kultiviertheit", die dem sich auf "Sexparties" vergnügenden Parvenü aus Altonaer Mittelstand nicht in die Wiege gelegt wurde. So in Façon gebracht, in der "Frontstadt" Berlin zum "politischen Verleger" gereift, empfand er Helmut Kohl als eine Art Urvater der "Antideutschen", nachdem man ihm die "Herzenskälte" des Pfälzers in Sachen deutscher Nationalstaat geschildert hatte. Er selbst jedoch verriet ungerührt dem Freund Arthur Cohn: "Die Deutschen aber mag ich nicht." Das Geld, das ihm Bild einspülte, beschwerte ihm die Seele, weil jede Ausgabe "gegen die Würde des Menschen" verstoße. Den deutschen Osten wollte er nicht preisgeben, doch zuletzt fiel er den Bonner Mächtigen eher als "zionistischer als die Zionisten", auf den Wecker. Zweifellos ein "Fabeltier seiner Zeit", das der Adenauer-Biograph Hans-Peter Schwarz mit breitem Pinsel porträtiert, wobei ihm die liberale Politik des Hausarchivs und vielfache Unterstützung von "Weggefährten" zugute kamen (Axel Springer. Die Biographie. Propyläen Verlag, Berlin 2008, gebunden, 734 Seiten, Abbildungen, 26 Euro).

 

Werner Mölders. Der Militärhistoriker Hermann Hagena nimmt sich des Jagdfliegers Werner Mölders an. Der ist spätestens nach der "Entnamung" des nach ihm benannten Neuburger Jagdgeschwaders im März 2005 zum Gegenstand erbittert geführter Debatten im "Traditionsdiskurs" der Bundeswehr geworden. Mit breiter Unterstützung der Medien, unentwegter Desinformation durch Journalisten vom Schlage Ralph Giordanos, immer wieder angefeuert von Linksaußen-Anfragen im Bundestag, figurierte Mölders zuletzt als "Auftragskiller" in "Hitlers Söldnertruppe". Hagena hält mit präzisen Rekonstruktionen der militärischen Karriere des hochausgezeichneten Jagdfliegers dagegen, dokumentiert zudem in ganzer Breite die im Narrenhaus konzipierten Kampagnen, dürfte aber mit dieser mustergültigen Arbeit kaum etwas gegen die unumschränkt herrschende Bewußtseinsindustrie ausrichten können (Jagdflieger Werner Mölders. Die Würde des Menschen reicht über den Tod hinaus. Helios Verlag, Aachen 2008, gebunden, 230 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro).

 

BVG-Streik. Seit der vergangenen Woche werden die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bestreikt. Wann immer in der Hauptstadt der Nahverkehr stillsteht, kommt jener nicht nur aus der heutigen Perspektive paradoxe BVG-Streik vom November 1932 in Erinnerung, als die erklärten Feinde der Weimarer Republik, Nationalsozialisten und Kommunisten, gemeinsam gegen eine Lohnkürzung demonstrierten. In einer detaillierten Studie zeichnet der frühere Konkret-Herausgeber Klaus Rainer Röhl Ursachen und Verlauf des vor allem von der DDR gerne vergessen gemachten Arbeitskampfes nach. Das Buch, das sich auf Röhls 1993 angefertigte Dissertation stützt, geht dabei der Frage nach, wie nahe sich die politischen Extreme 1932 gekommen waren und wie realistisch die Vision eines Waffenstillstands oder gar eines Bündnisses der beiden politischen Todfeinde war (Die letzten Tage der Republik von Weimar. Kommunisten und Nationalsozialisten im Berliner BVG-Streik von 1932. Universitas Verlag, München 2008, gebunden, 318 Seiten, 19,90 Euro).

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