© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/08 21. März 2008

"Man kann ja nichts gegen den Zeitgeist tun"
Umbenennung II: Das Erich-Hoepner-Gymnasium in Berlin will nicht länger an den Teilnehmer des 20. Juli 1944 erinnern / Nach dem Attentat hingerichtet
Christian Dorn

Vor dem "Volksgerichtshof", sichtlich gezeichnet von den Mißhandlungen, hatte der seiner Hinrichtung entgegensehende Generaloberst Erich Hoepner, Mitverschwörer des 20. Juli, sich selbst als "Esel" bezeichnet. Die Filmaufnahme jener Verhandlung mit dem menschenverachtenden Zynismus des Volksgerichtshof-Präsidenten Roland Freisler ist bekannt. Die eigentümliche Entgegnung Hoepners, dem man vor Gericht Zähne und Gürtel weggenommen hatte und der von Freisler unter anderem als "Schweinehund" betitelt worden war, dürfte vor dem Hintergrund der vorausgegangenen Folter sowie des Opfers, das Hoepner auf sich genommen hatte, der Sphäre außenstehender Beurteilung fraglos entzogen sein. Doch eben das ist sie nicht - weder damals noch heute.

So entschied vergangene Woche die Schulleitung des Erich-Hoepner-Gymnasiums in Berlin-Charlottenburg, sich seines Namens zu entledigen. Fortan will sich die Schule, deren Profil seit je musikalisch, künstlerisch und altsprachlich ausgerichtet ist, nach dem Kunstsammler Heinz Berggruen benennen.

Dieser war aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1936 aus Deutschland geflohen. Im Krieg kämpfte er 1945 als Soldat der US-Truppen in Europa gegen Deutschland, später avancierte er - als Galerist Pablo Picassos in Paris - zu einem der bedeutendsten Kunsthändler der klassischen Moderne.

Im Jahr 1996 kehrte er zurück nach Berlin-Charlottenburg und verkaufte seine auf 750 Millionen Euro geschätzte Sammlung demonstrativ - als "Geste der Versöhnung" - zu einem Preis von 126 Millionen Euro an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Diese machte Berggruens Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich, im Stülerbau gegenüber dem Schloß Charlottenburg. Im Februar 2007 starb Heinz Berggruen im Alter von 93 Jahren. Nun haben sich Schüler- und Lehrerschaft des bisherigen Hoepner-Gymnasiums auf seinen Namen verständigt, da dieser auch dem Schulprofil entspreche.

Historisch gesehen folgen sie damit lediglich dem Verhalten der vormaligen Schulleitung. Diese hatte sich im Jahr 1956 gegen die vom Bezirksamt dekretierte Umbenennung des "Charlottenburger Gymnasiums" in "Erich-Hoepner-Gymnasium" gewehrt. Damals hatte der amtierende Direktor Klaus Rudolphi, ein anerkanntes "Opfer des Faschismus", vehement gegen die Umbenennung gekämpft, da Hoepners Rolle während des Umsturzversuches wenig heroisch gewesen sei.

Grabstätte steht vor der Aufgabe

So hielt er dem Widerstandskämpfer vor, daß dieser nicht neben Claus Graf Schenk von Stauffenberg noch am gleichen Abend standrechtlich erschossen worden sei und in der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof kein Vorbild abgegeben habe.

Zwar hatte die damalige Schulleitung den Beschluß zur Umbenennung nicht verhindern können, doch recht glücklich wurde sie über all die Jahrzehnte nicht. Den Hintergrund bildete damals der anstehende 70. Geburtstag Erich Hoepners. Dieser hatte an dem vormaligen Kaiserin Auguste-Victoria-Gymnasium, einer der beiden Vorgängerschulen, die im "Charlottenburger Gymnasium" zusammengeführt worden waren, 1905 sein Abitur-Examen bestanden.

Der neuerliche Anlaß zur Namensdiskussion war diesmal von außen gekommen. Der Geschichtsstudent Geralf Gemser aus Sachsen hatte über den Tagesspiegel eine Diffamierungskampagne in Gang gesetzt (JF 43/04), an deren Ende nun die Umbenennung steht. Gemser hat in seiner hierzu verfaßten Magisterarbeit diverse Zitate zusammengetragen, die Hoepners vermeintlich "untragbare Verstrickung" im Rußlandfeldzugs belegen sollen.

Ein in Berlin lebender Enkel Hoepners, dessen Großvater nach dem 20. Juli 1944 den Posten des "Oberbefehlshabers im Heimatkriegsgebiet" einnehmen sollte, begegnet der jüngsten Handlung gegenüber der JUNGEN FREIHEIT mit "Resignation: Man kann ja nichts gegen den Zeitgeist tun."

Nachdem vor Jahren bereits die Erich-Hoepner-Kaserne in Wuppertal einem Standortwechsel der Bundeswehr zum Opfer gefallen war, erinnert nun nurmehr die private Gedenkstätte auf dem Waldfriedhof Zehlendorf an jenen Mann des 20. Juli, der zu den fähigsten und erfolgreichsten Panzergeneralen des Krieges gehört hatte. Ob diese Friedhofstelle noch lange bleiben wird, ist ungewiß. Das Begehren der 1991 verstorbenen Tochter Hoepners, die den Senat um Übernahme der Grabstelle gebeten hatte, fand nie eine Entsprechung. Nun steht die Grabstelle kurz davor, eingeebnet zu werden.

Wo das Vergessen gesellschaftlich derart sanktioniert wird wie hier, wirkt der Appell, sich der Verbrechen des Nationalsozialismus auf ewig zu erinnern, nur mehr wie ein hohles Echo.

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