© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/08 21. März 2008

Provokante Porträtreihe
Am Ende siegt das Gute
Gerhard Vierfuss

Der Psychologe Ulrich Beer, Jahrgang 1932, ist öffentlich bisher vor allem als Autor zahlreicher Fachbücher sowie als psychologischer Kommentator der Fernsehreihe "Ehen vor Gericht" in Erscheinung getreten. In seinem neuesten Werk versammelt er Porträts von 15 Persönlichkeiten, die sein Leben in besonderer Weise geprägt haben. Dabei handelt es sich um eine durchaus heterogene Gruppe: Neben Luther steht Friedrich Nietzsche, der Künder des Nihilismus; neben Goethe der nahezu unbekannte "ökologische Poet" Christian Wagner; neben Hindenburg der Pazifist Albert Schweitzer. Das Verbindende aller dieser Gestalten liegt für den Verfasser in ihrer Verkörperung einer "spannungsvollen Einheit (...) von großer geistiger Unabhängigkeit und unerbittlicher Wahrheitssuche mit demütiger Ehrfurcht vor Natur, Mensch uns Gott", die selbst bei "einem Renegaten wie Nietzsche noch spürbar" sei.

Besonders reizvoll sind jene Miniaturen, die auf fruchtbare Weise Erwartungen enttäuschen und ihm eine überraschende neue Sichtweise auf den Porträtierten eröffnen. So begegnet Wilhelm Busch als Philosoph; Charles Darwin wird als Psychologe und Verhaltensforscher vorgestellt. Im gleichen Kontext erscheint dann Ernst Jünger hier als "Friedenskünder". Sorgfältig zeichnet er die geistige und politische Entwicklung Jüngers nach, verschweigt nicht die anfängliche Faszination durch totalitäre Bewegungen. Aber auch Jüngers eigener Weg in den geistigen Widerstand und noch die vor 1945 verfaßte Friedensschrift für eine zukünftige europäische Ordnung wird berücksichtigt.

Das eindrucksvollste unter diesen Porträts ist das von Horst Berkowitz. Mit 16 Jahren meldete er sich als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, in dem er bereits nach wenigen Monaten schwer verwundet und dauerhaft versehrt wurde. Die Ehrung mit dem Goldenen Verwundetenabzeichen bewahrte ihn nicht davor, am 9. November 1938 als Jude nach Buchenwald verschleppt und mehrere Wochen lang gequält zu werden - bis die Gestapo endlich feststellte, daß ihr in diesem Fall ein "Fehler" unterlaufen war. Alle diese Leiden führten doch nicht dazu, daß Berkowitz ein Verlangen nach Vergeltung verspürt hätte; er blieb bis an sein Lebensende ein liebenswürdiger und bescheidener Mensch.

Vielleicht kommt hier am deutlichsten eine Grundüberzeugung zum Ausdruck, die Ulrich Beer verbreiten möchte: daß es ein unverlierbares Humanum gibt und daß das Gute am Ende die Oberhand gewinnt.

Ulrich Beer: Meine Lebens-Geister. Geniale Gestalten - bewegende Beispiele. Centaurus Verlag, Herbolzheim 2007, broschiert, 228 Seiten, 20 Euro

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