© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/08 21. März 2008

Ewiger Frieden mit der Frauenquote
Johan Galtungs beinahe rührend anmutenden Konzepte einer friedlichen Konfliktregulierung
Hans-Jürgen Hofrath

Konflikte jeglicher Art - von der Mikro- bis zur Makroebene - sind maßgeblich prägend für das menschliche Zusammenleben beinahe aller Kulturen und aller Zeiten. Vielfach liegen gewaltsame Lösungsansätze den Konfliktgestaltungen zugrunde. Daß derartige Konfliktbereinigungen aber ein Naturgesetz darstellen, bezweifelt zumindest der norwegische Friedensforscher Johan Galtung - und gibt uns zu ihrer Vermeidung eine als "Transcend" deklarierte Methode an die Hand.

Zweifel werden sicher nicht allein bei dem etwa an Hegel, Spengler oder Nietzsche geschichtsphilosophisch geschulten Leser geweckt, verbunden mit der Frage: Sollte gerade Galtung hier den "Stein des Weisen" entdeckt haben, welcher uns vor künftigen Kämpfen oder gar Kriegen zugunsten friedlich-kreativer Ansätze verschont? Aktuelle Konflikte wie exemplarisch im Irak lassen in der Tat Pessimismus aufkommen. Aber auch Alltagskonflikte - man denke hier nur an Mobbing am Arbeitsplatz, Nachbarstreitigkeiten, bisweilen sogar die sich bis zum gegenseitigen Vernichtungswunsch auswachsenden Ehescheidungsstreitigkeiten - sollen Galtungs Methode zugänglich sein.

Die Grundintention - welche ursprünglich auf Protagonisten wie Marshall B. Rosenberg, Mahatma Gandhi oder auch auf das Harvard-Verhandlungsmodell zurückgeht - besteht prinzipiell darin, Konflikte im positiven Sinne zu "transformieren". Die Kernthese lautet: vom "Ausrufezeichen" (dem unbedingten Durchsetzen der eigenen Position) zum "Fragezeichen" (dem Hinterfragen des eigenen Standpunktes) gelangen. Produktive Konfliktarbeit impliziert für Galtung das Herausarbeiten von Parametern und Bedürfnissen, die sich oftmals hinter dem vordergründigen Geschehen verbergen - der "Tiefenstruktur". Unter der Anleitung erfahrener Mediatoren kann man diese gleichsam auf eine höhere Ebene heben. Als Beispiele gelungener Integration einstmals antagonistischer Kräfte sieht der Autor die Schweiz, das frühere Wirtschaftssystem Japans (Mix zwischen Planung und Unternehmertum) sowie die Kompromißlinie im katholisch-protestantischen Streit um die Rechtfertigungslehre.

Folgt man Galtung, so sind die zentralen Bedingungen für eine friedliche Konfliktbeilegung Momente wie die Bereitschaft zum kreativen "Sowohl als auch" - die angemessene Berücksichtigung beider Seiten - sowie primär die "Empathie", also die Fähigkeit, sich unter Hintanstellung egoistischer Positionen in das jeweilige Gegenüber konstruktiv "einzufühlen". Hierbei sieht Galtung die Frauen als die absolut überlegenen Wesen an. Naturgemäß kommt deshalb bei der Konfliktmediation allein der "Konfliktarbeiterin" eine zentrale Rolle zu. Galtung traut somit pauschaliter nur Frauen - in offensichtlicher Verkennung der postfeministischen Realitäten - Empathie und somit Gutes zu.

Diese etwas krude Theorie spiegelt den Gesamttenor des Buches wider. Bei den geschilderten Alltagskonflikten gehen dann auch nur Ehemänner fremd. In eine ähnliche Kerbe schlägt Galtungs zeitgeistiges Lamento, welches in dem Plädoyer für fünfzig Prozent Frauenanteil in wichtigen Ämtern mündet. Vielleicht muß man als Linker und früh mit der Emanzipation konfrontierter Skandinavier derart ideologisch bzw. naiv ticken. Dabei bleiben dann auch streitkonstitutive Aspekte wie Machtwille, Rechthaberei, Stolz, Triebe, Rachsucht, persönliches Sendungsbewußtsein spezifische Sensibilitäten, kollektivpsychologisch-kulturelle Bestimmungsfaktoren oder schlechthin die "böse" Dimension der "gefallenen" menschlichen Natur letztlich unterbelichtet. Zentral ist die Erkenntnis, daß sein Modell steht und fällt mit der zugrunde liegenden anthropologischen Vorannahme.

In der Konfliktpraxis wird dem Gegenüber regelmäßig die Rolle des Leibhaftigen oder zumindest doch des Rückwärtsgewandten und folglich des nicht satisfaktionsfähigen Parts zugewiesen und so ein echter Diskurs von vornherein - infolge eigener "unaufgebbarer Werte" - unterbunden. Diese Erkenntnis greift freilich nicht allein beim Großkonflikt des Westens mit dem Islamismus, sondern ebenso im Streit konservativer oder rechter Positionen mit der philantrophischen Linken. So scheitert im übrigen auch das von Habermas zum Zweck der Wahrheitsfindung angelegte Konzept des "herrschaftsfreien Diskurses", der bekanntlich bis zur Stunde ein ebenso uneingelöstes Postulat wie Kants "Ewiger Friede" bleibt. Meist kommen die Parteien über ihr in die Seelen eingeschriebene und oft aggressiv vertretene Bewertungsschablonen nicht hinaus. So dürfte das klassisch-dezisionistische Freund/Feind-Schema des vielgescholtenen Carl Schmitt wohl das etwas realistischere Grundschema liefern.

 Johan Galtung: Konflikte & Konfliktlösungen. Die Transcend-Methode. Eine Einführung in kreative Konflikttransformation. Kai Homilius Verlag, Berlin 2007, gebunden, 350 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro

Foto: Frau beim Kickboxtraining: Ideale Konfliktarbeiterin durch die weibliche Überlegenheit bei Fähigkeit zur Empathie

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