© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/08 28. März 2008

"Der Kredithandel wird noch schwunghafter"
Bundesregierung und Bundestag wollen mit dem Risikobegrenzungsgesetz die Bürger schützen - eine Finte?
Moritz Schwarz

Herr Professor Schwintowski, der Bundestag wird sich im April des Kredithandel-Problems annehmen. Wird jetzt alles gut?

Schwintowski: Ganz und gar nicht, denn explizit soll erlaubt bleiben, Kredite ohne Genehmigung abzutreten. Und zwar an Banken und Nicht-Banken - sprich Gruppen wie etwa die berüchtigte Lone Star.

Wozu dann überhaupt das Manöver von Bundesregierung und Bundestag?

Schwintowski: Das frage ich mich auch. Ich befürchte gar, daß der Kredithandel noch schwunghafter wird, weil er dann sogar Rückendeckung von der Politik hat.

Ein Skandal?

Schwintowski: Das ist nicht in Ordnung, da haben Sie recht. Ausgelöst hat das Phänomen eine aufsichtsrechtliche Gesetzesänderung der rot-grünen Bundesregierung. Allerdings glaube ich nicht, daß die Politik damals diese Intention hatte. Eigentlich ging es um anderes. Die Möglichkeit zum Kredithandel ist sozusagen ein ungewollter Kollateralschaden. Daß dies allerdings ausgerechnet unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung passierte, ist natürlich reichlich pikant.

Warum wurde der Fehler nicht längst revidiert?

Schwintowski: Eigentlich hätte man mindestens schon vor zweieinhalb Jahren handeln können - eben wenn die Politik gewollt hätte. Aber ich muß Ihnen sagen, ich vermute, wenn die Medien sich des Themas nicht annehmen würden, würde die Politik sich bis heute nicht rühren.

Demokratie bedeutet Verantwortlichkeit. Muß die Politik also nicht zur Verantwortung gezogen werden?

Schwintowski: Nicht juristisch, denn die klassische liberale Demokratie kennt keine rechtliche Bestrafung von Politikern für Funktionsfehler. Politische Verantwortlichkeit vollzieht sich im parlamentarischen System durch Wahl und Abwahl. Aber Sie haben natürlich recht, es ist absurd, daß eine liberale Demokratie wie die unsere eine nach eigenem staatphilosophischen Verständnis klassische Grundaufgabe des Staates, nämlich Rechtssicherheit für die Bürger zu garantieren, nicht vollständig gewährleistet.

Ruine durch Prellen von Handwerkerrechnungen, Mietnomadentum, nun der Kredithandel. Die Politik leistet sich eine ganze Reihe solcher Fehler, die Tausende unbescholtene Bürger ins Verderben stürzen - oft genug folgt auf die Vernichtung der Existenz zudem der Selbstmord. Haben wir es zusammengenommen nicht mit einem eklatanten politischen Skandal zu tun, den nur niemand so benennt?

Schwintowski: Der entscheidende Faktor ist eben, daß es keine Haftung des Staates für Staatsversagen gibt. Das, was der Staat für das Verhältnis der Bürger untereinander eingeführt hat, daß im Schadensfall der verursachende Bürger haftet, gibt es im Verhältnis des Bürgers zum Staat nicht. Schuld daran sind alle Parteien, denn an einer Änderung dieses Grundsatzes hat keine von ihnen ein Interesse. Aber nicht nur unsere Parteien: Eine Haftung für sogenanntes legislatives Unrecht gibt es in keinem demokratischen Staat der Welt. Deshalb befürchte ich, daß es utopisch ist, eine Lösung auf dieser Ebene zu erhoffen. Man muß anders ansetzen.

Nämlich?

Schwintowski: Ich halte den Verkauf gesunder Kredite heute schon für rechtswidrig. Denn wenn sich durch eine Abtretung der Inhalt der Forderung maßgeblich verändert, dann, so das Gesetz schon jetzt, muß der Schuldner erstmal zustimmen, bevor der Verkauf wirksam ist. Dennoch urteilt der Bundesgerichthof anders. Für meine Begriffe liegt also vor allem ein Versagen der Justiz vor. Würde diese ihren Irrtum anerkennen, dann hätten wir das Problem nicht nur für die Zukunft gelöst, es wäre überdies auch möglich,  rückwirkend den Opfern zu helfen.

Wie viele Bürger sind überhaupt betroffen?

Schwintowski: Im Rechtsausschuß des Bundestages war zu der Zeit, als ich dort beratend tätig war, von einem jährlichen Volumen von etwa sechs Milliarden Euro und etwa 30.000 bis 40.000 betroffenen Bürgern die Rede.

 

Prof. Dr.  Hans-Peter Schwintowski beriet als Sachverständiger den Bundestag-Rechtsausschuß. Er lehrt Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Geboren wurde er 1947 in Bad Harzburg.

 

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