© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/08 28. März 2008

Unnötige Probleme
Die EU-Mittelmeerunion
Michael Weis

Der Reformvertrag von Lissabon, der die gescheiterte Verfassung ersetzen und die 27-Länder-EU weiter handlungsfähig erhalten soll, ist noch längst nicht überall ratifiziert. In Polen wird er derzeit von der Opposition blockiert, in Irland steht im Juni eine Volksabstimmung an.

Da beschließt der jüngste EU-Gipfel auf Druck des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy "den Barcelona-Prozeß in die Union für das Mittelmeer umzuwandeln". Sprich: den 1995 gestarteten Aufbau engerer Beziehungen zu den südlichen Mittelmeeranrainern. Die Kontakte sollen nun auf eine neue Basis gestellt werden - obwohl viele der Gründe für die bisherige Zurückhaltung (Spannungen der muslimischen Staaten untereinander, das Verhältnis zu Israel oder Menschenrechtsfragen) weiter ungeklärt sind.

Sicherlich sind gute Beziehung zu den südlichen EU-Nachbarn ein Schlüssel für Frieden und Stabilität. Und nur mit Hilfe der Nordafrikaner können die illegalen Einwanderungsströme nach Europa wirkungsvoll eingedämmt werden. Doch ist dazu eine institutionalisierte Mittelmeerunion nötig? Bieten intensivere diplomatische Bemühungen und eine Fortsetzung der bisherigen Politik nicht dieselben Chancen, ohne dabei die EU in unüberschaubare Fahrwasser zu steuern?

Auch wenn die Einzelheiten zur Gründung der Mittelmeerunion erst bei einem Gipfeltreffen im Juni ausgearbeitet werden sollen, sind die Probleme schon heute absehbar. Zum einen lehnt ein Teil der EU-Länder die neue Union ab, wodurch der innere Zusammenhalt erneut auf die Probe gestellt wird. Was geschieht beispielsweise, wenn einige nordafrikanische Staaten ihre Probleme mit Israel weiterhin nicht lösen wollen? Was tut die EU, wenn die Nordafrikaner nach einigen Jahren der "intensiveren Kooperation" wirkliche Mitglieder der EU oder einfach nur Teil des Schengen-Raums werden möchten? Welche Folge wird eine engere Anbindung Europas an die islamisch verwurzelten Staaten haben? Die voranschreitende Islamisierung Europas produziert bereits jetzt genügend Probleme. Und was ist mit der Türkei?

Es ist unwahrscheinlich, daß auch nur eine dieser Fragen bis Juni beantwortet sein wird. Ebenso wie derzeit niemand sagen kann, wie die Mittelmeerunion neben der EU aussehen wird. Wer nicht genügend Probleme hat, der schafft sich eben selbst welche.

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