© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/08 28. März 2008

Im Biotop liegen Elefanten begraben
Springer-Konzern: Das Flaggschiff sinkt, die Bastion bricht ein, und Neuigkeiten gibt's längst nicht mehr
Paul Rosen

Axel Springer - das war einmal eine konservative Bastion in der deutschen Medienlandschaft. Bild und Welt waren in der politischen Klasse gefürchtet, Schlagzeilen der Springer-Presse konnten Bonn erschüttern. Heute ist der Konzern vor allem um eines bemüht: Geld zu verdienen. Unter Springers Epigonen Mathias Döpfner (45) will das nicht klappen - und vieles andere klappt auch nicht.

Aus einem katastrophal verlaufenen Jahr 2007 machte Vorstandschef Döpfner dennoch eine Jubelarie: "Im Kerngeschäft ist Axel Springer so stark wie nie zuvor." Erstmals, so der Medienzar, schreibe die Welt-Gruppe (Welt, Welt am Sonntag, Berliner Morgenpost) keine roten Zahlen mehr, sondern habe einen Gewinn im einstelligen Millionenbereich erwirtschaftet. Insgesamt machte der Konzern jedoch Verluste: 288 Millionen Euro fehlen in der Kasse. Vor allem deshalb, weil der Musikwissenschaftler Döpfner von Verleger auf Briefträger umsatteln wollte. Im letzten Jahr kaufte er vor allem von Zeitungsverlegern Anteile am privaten Briefdienstleister PIN AG. Die kleinen Verleger verkauften gern. Ihnen war klar, daß das auf Niedriglöhnen gründende PIN-Geschäftsmodell nicht dauerhaft tragen würde. In Berlin pfiffen die Spatzen von den Dächern, daß die SPD einen Mindestlohn im Postbereich durchsetzen werde. Zu diesem Zeitpunkt pries der ahnungslose Döpfner bei seinen regelmäßigen Frühstücken mit Mitarbeitern noch die Vorzüge der Briefträgerei.

Als der Mindestlohn beschlossen wurde, stellte Springer die Zahlungen an PIN ein, die sofort pleite ging. Rund 500 Millionen Euro dürfte Döpfner in diesem Bereich verballert haben. "Die Übernahme der Mehrheit war aus heutiger Sicht falsch", gestand Döpfner zum Thema PIN ein. Aber die Liste seiner Mißerfolge ist noch länger. In Frankreich scheiterte das Projekt einer neuen Zeitung im Stil von Bild. Fernsehpläne in Polen mußten aufgegeben werden. Nachdem aus kartellrechtlichen Gründen die Beteiligung am TV-Konzern Pro 7/SAT 1 nicht aufgestockt werden konnte, gab Döpfner auch die restlichen Anteile ab. Der Medienkonzern verfügt damit über kein nennenswertes TV-Geschäft mehr.

Trotz der PIN-Pleite gibt es Dividende, die sogar von 3,50 Euro auf vier Euro pro Aktie erhöht wird. Man habe, so die offizielle Begründung, einen Liquiditätsüberschuß, der reduziert werden solle. Wie es heißt, erhält allein die Springer-Witwe rund 60 Millionen Euro Dividenden. Döpfner und seine Vorstandskollegen sollen wegen ihrer angeblichen Erfolge eine Gehaltserhöhung von 40 Prozent bekommen. Die Börse ist jedoch unerbittlich: Der Kurs der Springer-Aktie sank von 150 auf rund 80 Euro und damit stärker als der Markt insgesamt. Während Döpfner die Verantwortung dafür dem PIN-Fehlschlag zuordnet, machen Analysten die Minus-Werte an der Person Döpfner fest. Der Verlagschef setze nur auf hell leuchtende Strohfeuer, lasse aber keine klare Linie und vor allem keinen Kurs des Hauses erkennen.

Hinzu kommt, daß auch die beiden Geldbringer im Printgeschäft des Springer-Konzerns, die Bild-Zeitung und die Bild am Sonntag, schwächeln. So sinkt die Auflage des Flaggschiffs Bild zwar langsam, aber stetig. Betrug ihre verkaufte Auflage 1998 im Jahresdurchschnitt noch 4,56 Millionen Exemplare, lag sie im vergangenen Jahr bei 3,45 Millionen. Und die Bild am Sonntag stürzte im gleichen Zeitraum von 2,57 Millionen Exemplaren auf 1,8 Millionen.

Schließlich ist da auch noch der ständige Ärger mit den Betreibern von bildblog.de. Im Februar erst wollte der Springer-Verlag durchsetzen, daß die Verantwortlichen dieser Internetseite (die beiden Medienjournalisten Stefan Niggemeier und Christoph Schultheis) künftig grundsätzlich keine Beschwerden mehr beim Deutschen Presserat einreichen dürften. Angeblich mißbrauchten die Bildblogger ihr Beschwerderecht zu kommerziellen Zwecken (JF 9/08). Inzwischen jedoch hat sich das Plenum des Presserates mit der Angelegenheit befaßt und mehrheitlich keine Anhaltspunkte für einen Mißbrauch des Beschwerderechts feststellen können.

Ein Problem bei Springer ist, daß keine Ruhe in das Haus kommt. Aus der FAZ erfuhren zum Beispiel die Redakteure von Bild und Bild am Sonntag, daß sie von Hamburg nach Berlin umzuziehen hätten. Um Bild nach Berlin zu holen, mußte die angeblich profitabel gewordene Welt-Gruppe im Springer-Hochhaus an der Kochstraße umziehen. Die mit großem Tamtam gegründete größte Nachrichtenredaktion Deutschlands für Welt, Morgenpost und Welt am Sonntag, in der ganz nach dem Vorbild amerikanischer Großraumbüros kein Möbelstück höher als 80 Zentimeter sein durfte, mußte ihren Großraum aufgeben und sitzt wieder wie früher in kleineren Einheiten.

Der mit einer großen Party eröffnete "Newsroom" (hausintern als "Neuigkeitenraum" verspottet), in dem die Fäden der Produktion zusammenlaufen, mußte ebenfalls für Bild umziehen. Neuigkeiten, so heißt es in der Redaktion, habe man ohnehin schon lange nicht mehr. In der Tat fiel Die Welt in einem Ranking der am meisten zitierten Tageszeitungen Deutschlands von Platz 1 (2005) auf 14 und liegt weit hinter allen wichtigen Konkurrenten.

Dies hat viel mit dem Sparkurs zu tun, den Döpfner der Welt-Gruppe verordnete. Anfang letzten Jahres wurden 60 überwiegend erfahrene Journalisten aus der Redaktion genommen. In einer neuen "Service und Entwicklungsredaktion" sollten sie laut Döpfner ein "höchst lebendiges Biotop" bilden und "für das Haus wichtige Beiträge liefern". Die von der Süddeutschen Zeitung als "Elefantenfriedhof" und intern als "Gulag" bezeichnete Serviceredaktion lieferte bisher fast nichts - ein weiterer Döpfner-Flop.

Trotz einer großen Party ob der schwarzen Welt-Zahlen servierte Döpfner den Gesamt-Chefredakteur der blauen Gruppe (so werden alle Welt-Titel und die Morgenpost genannt), Christoph Keese, ab. Er bekam den wenig schmeichelhaften Titel eines "Konzerngeschäftsführers Public Affairs" und soll künftig Auge und Ohr von Springer im politischen Berlin sein. Nach Ansicht von Beobachtern betritt Keese damit persönliches Neuland.

Intern werden die schwarzen Zahlen bezweifelt. Keese wird angelastet, der blauen Gruppe jeden politischen Tiefgang genommen und Beliebigkeit an die Stelle von Standpunkten gesetzt zu haben. So ging mit Konrad Adam der letzte konservative Kolumnist des Hauses. Auch exklusive Nachrichten, eine Spezialität der überregionalen Zeitungen und großer Sonntagsblätter, gibt es zu selten. Einer der Gründe: Keese löste das Parlamentsbüro der Welt am Reichstag auf.

Die Annahme, exklusive Stoffe würden auch von allein ins Haus kommen, erwies sich als Fehleinschätzung. Weder Welt noch Welt am Sonntag sind noch in einem Politik-Bereich führend, so etwa wie die Süddeutsche in der Innen- und Rechtspolitik. In den Unionsparteien, wo die Welt jahrzehntelang Pflichtblatt in allen Gremien war, spielt die Zeitung keine Rolle mehr. Führend war Springer in der Verteidigungspolitik: Doch den über Jahrzehnte im Haus ausgerichteten Kongreß "Bundeswehr und Gesellschaft" gab Keese auf. Maßstab ist jetzt die Handelsblatt-Tagung.

Welt-Chefredakteur Thomas Schmid (62) muß jetzt die Verantwortung für die  Sonntagszeitung mit übernehmen. Daß Schmid, ein stiller Schreiber ohne Durchsetzungskraft, die blaue Gruppe zu altem Glanz zurückführen kann, ist unwahrscheinlich. Mitleidig bescheinigte Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn seinem Kollegen Schmid, dessen Welt sei mitten in der Hauptstadt Berlin in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht.

Foto: Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner: Wollte von Zeitungsverleger auf Briefträger umsatteln

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