© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/08 04. April 2008

CD: Rock
Hexengebräu
Michael Insel

Symphonische Sphärenklänge von einer chilenischen Nachtigall; stimmungsvolle Punk-Musik von einer Gruppe aus Bruce Springsteens Revier in New Jersey, die in den Gefilden von Black Sabbath wildert; und derber Party-Rock aus Schweden - eine bunte Mischung, gewiß, aber auch drei der besseren Veröffentlichungen der letzten Monate auf dem schier unüberblickbaren Feld des Hard und Melodic Rock.

Gisa Vatcky bewegt sich in den musikalischen Fußstapfen von Gothic-Ladies wie Anneke van Giersbergen (The Gathering) oder Tarja Turunen (Nightwish). Um ihren meisterhaften theatralischen Phrasierungen die gebührende Klangkulisse zu verschaffen, haben Frontiers-Chef Serafino Perugino und Produzent Fabrizio Grossi das Projekt Indigo Dying ins Leben gerufen. Begleitet von Schwermetallern wie dem Schlagzeuger John Macaluso (Riot und Malmsteen) und dem Gitarristen Tommy Denander tritt Vatcky, die sonst als Backing-Sängerin für Musiker wie Meta Loaf oder auch Melissa Etheridge ihre Brötchen verdient, nun selber mitten ins Rampenlicht. Mit gefühlvoller Stimmgewalt singt sie gegen die exzessive Orchestrierung, die krachenden Gitarren und die Mischpult-Fummelei an, mit der Grossi eine wunderschöne R&B-Ballade wie "Island" zu überschwemmen versucht. Die Höhepunkte des Albums sind ihre drei Duette mit dem ehemaligen Helloween-Frontmann Michael Kiske und Ex-Malmstreem-Sänger Mark Boals. Ihre sinnliche Stimme ergänzt Kiskes rauhes Geflüster auf das prächtigste (Breathe in Water"), und auch im Sängerstreit mit Boals erweist sich die Goldkehle beim hallend-psychedelischen "Superman" und der Rock-Arie "Far Enough" als allemal ebenbürtige Partnerin. 

Während Vatcky auf Melodramatik setzt, taucht Helena Cos, Frontfrau der Spider Rockets, in die trüben Untiefen des psychedelischen Garage-Rock ein, wo sich einst die Jesus and Mary Chain und neuerdings die Black Angels mit Vorliebe herumtreiben, und braut einen Hexentrunk aus dem kindsköpfigen Geist des Siebziger-Jahre-Punk. In den USA erschien "Ever After" sinnigerweise an Halloween 2006, den europäischen Vertrieb hat nun Locomotive Records übernommen. Produziert von Martin Bisi (Sonic Youth, Dresden Dolls), überzeugt das Album mit vielschichtigen Stimmarrangements, wabernden Gitarrenlinien und Psych-Folk-Elementen, die schnell zu Kopfe steigen. Der Opener "Too Far" mit seinen dreiminütigen psychotischen Gitarrenstürmen ist die perfekte Einstimmung, im nächsten Stück kommt Händeklatschen, Sprechgesang und dröhnende Baßgitarre hinzu. Partystimmung kommt spätestens bei "What I Want" mit Anklängen an die Beastie Boys auf.

Und die Party geht weiter mit Fatal Smiles' drittem Album "World Domination" (ebenfalls Locomotive), produziert von dem Gründer und einzig übriggebliebenen Originalmitglied, dem Gitarristen und Komponisten Y.  Ein bißchen Größenwahl muß sein, und nichts gegen die Mischung aus Melodic Metal und Glam-Rock, die Y und seine neuesten Kumpane - die letzten waren übrigens auch nicht schlecht, immerhin schafften sie es 2006 mit ihrer Single "Learn, Love, Hate" in die schwedischen Top Twenty - hier auf dem  Plattenteller servieren! Produziert wurde die Scheibe na, von wem wohl, Herrn Y höchstselbst, abgemischt von Michael Wagener (Metallica, Ozzy Osbourne, Mötley Crue): hemmungsloser Rock'n'Roll, den man gar nicht laut genug aufdrehen kann, Motörhead läßt grüßen. Daß einige echte Ohrwürmer dabei sind, macht den Qualitätsunterschied zwischen Fatal Smiles und all den Möchtegern-Rockern aus, die mit ihren Zum-einen-Ohr-rein-zum-anderen-raus-Melodien den Äther verpesten. Glanzlichter sind "No Tomorrow", der Blues-Rocker "Run For Your Life" und "Straight to Hell".

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