© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/08 04. April 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Regierbarkeit
Karl Heinzen

Die Grünen wollen in den Bundestagswahlkampf 2009 offenbar ohne eine Koalitionsaussage ziehen. Statt dessen hätten sie vor, so ihr mutmaßlicher Spitzenkandidat Jürgen Trittin in einem Zeitungsinterview, den Bürgern zu sagen, wofür die Partei inhaltlich steht. Eine gewisse Präferenz für ein Zusammengehen mit der SPD sei zwar weiterhin vorhanden. Die Wähler würden jedoch erwarten, daß die Grünen austesten, was sich mit welchem Partner tatsächlich machen ließe.

Zu vermuten ist aber vielmehr, daß Jürgen Trittin damit schon heute die Schlußfolgerungen aus der neuen Fünf-Parteien-Landschaft ziehen möchte, die sich mit der nächsten Bundestagswahl vollends konsolidieren dürfte. In ihr gibt es bei den sich abzeichnenden Kräfteverhältnissen als Alternative zu einer Großen Koalition nur das Regierungsbündnis zwischen einer der großen und zwei der kleinen Parteien. Da CDU/CSU und FDP bis auf weiteres nicht zu einer Zusammenarbeit mit der Linken bereit sein werden, wären die Grünen in jeder derzeit vorstellbaren Drei-Parteien-Koalition mit an Bord. Aus ihrer Bereitschaft, gedanklich sogar ein Bündnis mit der Union in Betracht zu ziehen, spricht dabei weniger das mangelnde Vergnügen an der Oppositionsrolle als vielmehr die Verantwortung, mit für die fortwährende Regierbarkeit unseres Landes zu sorgen, der sie sich als staatstragende Partei der neuen Mitte nicht verschließen wollen.

Außer Betracht lassen die Grünen dabei aber, daß Regierbarkeit in einer Demokratie kein Wert an sich sein kann. In ihr kommt es vielmehr darauf an, daß der Wille der Bürger seine Repräsentation findet, und wenn dieser nun einmal bestimmen sollte, daß es zu keiner stabilen Regierung kommt, so ist dies schlicht und einfach hinzunehmen. Wenn Parteien, die programmatisch nicht füreinander bestimmt sind, trotzdem der bloßen technokratischen Funktionsfähigkeit des Staates zuliebe koalieren, so schürt dies das Mißtrauen der Menschen, daß es in der Politik gar nicht um Inhalte, sondern bloß um Macht geht.

Um so wichtiger ist es, darauf zu achten, daß über allen ungewohnten Brückenschlägen nicht auch noch eine Annäherung der Standpunkte stattfindet. Die Chancen, daß dies gelingt, stehen gut. Gerade die kleinen Parteien müssen in der Formulierung ihrer Programme noch weniger in Betracht ziehen, ob sich ihre Ziele im Falle einer Regierungsbeteiligung auch erreichen ließen. Wenn es zu einer solchen kommt, haben sie nämlich nicht mehr nur einen, sondern zwei Koalitionspartner, die daran schuld sind, daß sie ihren Grundsätzen untreu werden müssen.

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