© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/08 04. April 2008

Die Lady als hemmungsloses Weib
Warum Isebel kein amerikanisches Ideal wurde: Zum Hundertsten der Filmschauspielerin Bette Davis
Klaus Fischer

Seit Beginn ihrer Filmkarriere versuchten Hollywoods Studiobosse Bette Davis auf einen bestimmten Rollentyp festzulegen. Zwar gelang es ihr immer wieder, dieses starre Schema zu durchbrechen, doch in der Tat sind einige ihrer besten Filme genau jene, in denen sie skrupellose, machtbewußte Frauen spielt, die buchstäblich über Leichen gehen. So treibt sie in einem ihrer ersten Filme, William Dieterles "Satan Met a Lady" (Der Satan und die Lady, 1936) als durchtriebene Kunsträuberin ein doppeltes Spiel mit ihrem ahnungslosen Verehrer, der Polizei und der übrigen Kunsträuberbande. In Anatole Litvaks "All This And Heaven Too" (Hölle, wo ist dein Sieg, 1940) ist sie als Haushälterin eines französischen Adligen (Charles Boyer) in den Mord an dessen Frau verwickelt.

Noch eine Spur härter geht sie in William Wylers "The Letter" (Das Geheimnis von Malapur, 1940), der Verfilmung einer Novelle von Somerset Maugham, zu Sache. Als Frau eines Plantagenbesitzers in Hinterindien erschießt sie aus Eifersucht kaltblütig ihren Geliebten, wird aber vom Gericht, vor dem sie als fleckenlose und kultivierte Dame auftritt, freigesprochen. Als die Wahrheit endlich ans Licht kommt, verwandelt sich die kühle und überlegene Lady in ein hemmungsloses Weib, das sich mit sadistischer Leidenschaft selbst bloßstellt. Schließlich läßt sie sich von der Frau ihres ermordeten Geliebten, einer Malaiin, umbringen. Logisch eingebettet in eine drückende Dschungelatmosphäre, enthüllt Bette Davis rücksichtslos und mit schneidender Kälte eine Frauenpsyche, die von nun an zu ihrem Markenzeichen werden sollte.

Diesem wohl "schwärzesten" Film von Bette Davis folgte "The Little Foxes" (Die kleinen Füchse, 1941) vom selben Regisseur. Die Kritik feierte ihn als Film, den das Kino "nur einmal in einem Dutzend Jahren hervorbringt". Das düstere Drama zeigt die verheerenden Folgen des hochgezüchteten Kapitalismus um die Jahrhundertwende. Als habgierige Bankiersgattin will Davis die Früchte ihrer betrügerischen Finanzspekulationen nicht ihren beiden Brüdern überlassen. Da ihr herzkranker Mann zu windigen Geschäften jedoch nicht bereit ist, verweigert sie ihm im entscheidenden Moment ein lebensnotwendiges Medikament und sieht kalt zu, wie er stirbt. Davis bietet hier eine ihrer besten schauspielerischen Leistungen. Wie sie sich in der verfaulten Atmosphäre des Südstaatenmilieus bewegt, wo Klatsch und Tratsch aus allen Winkeln lugen und wo die überquellende Lebensfreude der schwarzen Diener im Gegensatz zum Egoismus und Familienhaß der Weißen steht, das ist große Schauspielkunst.

 Um diese Zeit war Bette Davis bereits die höchstbezahlte Schauspielerin Hollywoods. Am 8. April 1908 in Lowell, Massachusetts, als Tochter einer Fotografin und eines Rechtsanwalts geboren, hatte sie mehrere Schauspielschulen besucht und Ende der zwanziger Jahre am Broadway ihren ersten Auftritt. Für "Jezebel" (Jezebel - die boshafte Lady) erhielt sie 1938 den Oscar. Doch ein amerikanisches Ideal wurde sie nie. Dafür waren ihre Rollen eine zu starke Provokation gegenüber dem Typus des all-American girl.

So auch nach dem Krieg in Robert Aldrichs Psychothriller "Whatever Happened to Baby Jane" (Was geschah wirklich mit Baby Jane, 1962), in dem Davis einen trunksüchtigen, alternden ehemaligen Kinderstar verkörpert, die durch eine Kombination von Schuldgefühlen, Haß und gegenseitiger Abhängigkeit an ihre durch einen Autounfall gelähmte Schwester Blanche (Joan Crawford) gefesselt ist, bis es schließlich zu einer Katastrophe kommt. In Aldrichs "Hush, Hush, Sweet Charlotte" (Wiegenlied für eine Leiche, 1964) liefert sich die Davis ein tödliches Duell mit Joan Crawford.

1989 drehte Bette Davis ihren letzten Film, die Fantasy-Komödie "Wicked Stepmother" (Tanz der Hexen). Anfang Oktober konnte sie beim Filmfestival von San Sebastián noch eine Auszeichnung entgegennehmen, doch für die Rückreise in die USA fehlte der krebskranken Schauspielerin bereits die Kraft. Im American Hospital in Neuilly-sur-Seine starb sie am 6. Oktober 1989 im Alter von 81 Jahren. So unvergessen wie ihre großen Filme wird auch Bette Davis selbst bleiben, vor allem ihre ausdrucksvollen, faszinierenden Augen, denen Kim Carnes 1981 mit dem Lied "Bette Davis' Eyes" ein Denkmal setzte.

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