© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/08 11. April 2008

Verfolgte Christen
Die dramatische Lage im Irak
Natalia Liepelt / Wolfram Wehl

Am 29. Februar 2008 wurde der Erzbischof von Mossul (Nîněwâ/Nord-Irak), Paulos Faraj Rahho, von mutmaßlichen Islamisten entführt, seine drei Begleiter ermordet. Am 13. März wurde der 65jährige chaldäisch-katholische Geistliche, der schwer herzkrank war, tot aufgefunden - er hatte die Torturen nicht überlebt (JF 13/08).

In der orthodoxen St. Georgios Gemeinde in Berlin wurde vorige Woche ihm zu Ehren ein Gedenkgottesdienst gehalten. Ein Vertreter der katholischen Hilfsorganisation "Kirche in Not" sprach im Anschluß über die derzeitige Situation der Christen im Irak: Sie sind dort massiven Repressalien ausgesetzt. Drohung, Verfolgung, Erpressung, Vergewaltigung und Ermordung sind an der Tagesordnung. Christliche Einrichtungen werden brutal zerstört. Um nicht zum Islam übertreten zu müssen, bleibt vielen nur die Flucht ins Ausland. Ihre angestammte Heimat müssen sie den Muslimen überlassen. Das Christentum, das seit seinem Beginn vor zweitausend Jahren im Gebiet des heutigen Irak verwurzelt ist, droht nun endgültig auszusterben. Hunderttausende Christen sind in den vergangenen Jahren schon geflohen.

Doch in Jordanien, Syrien und der Türkei können die aus dem Irak vertriebenen Christen nur auf befristete Zeit bleiben. Der Dokumentarfilm "Quo Vadis - Irakischer Exodus" gab anhand von Interviews mit christlichen Familien Einblicke in ihre Lage. Hauptgrund für die Gewalt sei der Irak-Krieg. Muslime, die in den US-Besatzern die Verkörperung des Christentums sehen, machen die einheimischen Christen für ihr Unglück mitverantwortlich. Deshalb stehen sie im Mittelpunkt ihrer Aggressionen. Im sich verschärfenden Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten können die Christen weder mit der einen noch mit der anderen Islam-Richtung kooperieren, da sie sonst der jeweils anderen Partei neue Anlässe für ihren Haß und neue Gewalt liefern würden.

In der anschließenden Diskussionsrunde wurde kritisiert, daß die deutschen Behörden Asylanträge von Christen mit dem Argument ablehnten, nach dem Sturz von Präsident Saddam Hussein herrsche im Irak Freiheit. Doch selbst unter dessen brutaler Diktatur sei das Leben als Christ wesentlich sicherer gewesen, sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Miteinander der verschiedenen Religionen und Glaubensrichtungen, berichteten anwesende Iraker.

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