© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/08 18. April 2008

"Der Fall Stephan Braun"
Blick in den Spiegel
Dieter Stein

Aufregung herrscht auf den Fluren des Bundestags und der Landtage über die in der Edition JF erschienene Broschüre "Die offene Flanke der SPD". 3.000 Exemplare gingen mit einem persönlichen Anschreiben an alle Abgeordneten - mit Ausnahme der Mitglieder der Linkspartei. Felix Krautkrämers zweite, völlig überarbeitete und erweiterte Studie durchleuchtet das Autorennetzwerk um den baden-württembergischen SPD-Landtagsabgeordneten Stephan Braun, der den Kampf gegen diese Zeitung zu seiner Aufgabe gemacht hat. Braun hatte im vergangenen Jahr ein Buch ("Die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT") vorgelegt, in dem er für eine quasi gesellschaftliche Quarantäne gegen die JF plädierte und hierfür den Einsatz der Verfassungsschutzbehörden und staatlicher Bildungseinrichtungen forderte.

Stephan Braun ist Wortführer eines "Kampfes gegen Rechts", der sich tatsächlich (wie der Begriff schon deutlich macht) nicht in erster Linie gegen Extremismus richtet, sondern gegen den legitimen Flügel der Demokratie, die, wenn sie denn eine Linke hat, notwendigerweise auch eine Rechte aufweisen muß. Um Konservative unter Verdacht zu setzen, wird von Grauzonen oder Brückenspektren gesprochen, über Kausalketten (weil jemand jemanden kennt, der wiederum in einer Zeitung geschrieben hat, die ihrerseits wegen eines problematischen Artikels wegen Anhaltspunkten für den Verdacht auf extremistische Bestrebungen vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ist auch ersterer ein Extremist) soll jeder unter Extremismusverdacht gesetzt werden können.

Die JF hat nun Stephan Braun und seine Truppe, die sich zu Wächtern von Demokratie und Verfassung ernannt haben, an ihren eigenen Maßstäben gemessen: Aus welchen politischen Zusammenhängen stammen sie denn, diese Autoren? Auf welchen politischen Veranstaltungen sprechen sie? Welche politischen Solidaritätsappelle haben sie unterschrieben? In welchen politischen Blättern haben sie geschrieben? Felix Krautkrämer hat mit seinen Recherchen in ein Wespennest gestochen. Hunderte "verfassungsschutzrelevante" Hinweise und Querverbindungen finden sich in diesem Dossier über eine Gruppe, die als Paradedemokraten vor extremistischen Gefahren warnen wollen. Peinlich.

Die JUNGE FREIHEIT will die Unkultur des Verdachts und der Verweigerung der Differenz keineswegs zum Standard erheben, sondern lediglich gegen ihre Urheber wenden. Das ist gelungen. Aufgeregt beklagt ein SPD-Bundestagsabgeordneter und Co-Autor von Braun in einem Rundbrief an alle Abgeordnetenkollegen das "Pamphlet" und moniert, "mehr oder weniger geschickte Montage und gezielte Aussparungen" erweckten den Eindruck, die Autoren seien Linksextremisten.

Ein SPD-Landtagsabgeordneter fordert mehr Fairneß: "Radikale von extremistischen Positionen so gut wie möglich zu scheiden, wäre die entscheidende intellektuelle Herausforderung gewesen - übrigens für alle Seiten." Voilà. Vielleicht ist dies ja ein Anstoß zum Umdenken. Vielleicht ist es Zeit für die feierliche Beerdigung des "Kampf gegen Rechts"-Krampfes und für eine differenzierte Debatte.

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