© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/08 18. April 2008

Berlusconi steht vor Herkulesaufgabe
Italien: Mitte-Rechts-Bündnis gewinnt Mehrheit in Kammer und Senat / Lega Nord im Aufwind / Kommunisten und Grüne scheitern kläglich
Paola Bernardi

Es war ein anderer Silvio Berlusconi, der in der Wahlnacht auf dem Bildschirm erschien: Zwar breitete der 71jährige wieder triumphierend die Hände aus und lächelte staatsmännisch nach seinem grandiosen Sieg. Doch diesmal gab es keine Clownerie, keine Seitenhiebe auf den Gegner. Es schien, als wenn ausgerechnet im Moment dieses Erfolgs die ganze Last der italienischen Malaise auf seinen Schultern ruhte. Ein geläuterter künftiger Ministerpräsident präsentierte sich dem Millionenpublikum.

Er, der knapp zwei Jahre in der Opposition gewesen war, schien sichtlich gerührt: "Und ich umarme alle Italiener von Herzen", rief er aus. Doch dann wurde er ernst: "Es gibt viel zu tun, und ich verspreche jeden Abend erst dann ins Bett zu gehen, wenn ich etwas Positives verwirklicht habe." Dann wandte er sich an seinen politischen Gegner Walter Veltroni: "Starten wir mit den Arbeiten noch einmal wie 1994, das heißt Reformen für Justiz, Schule und Gesundheit sowie Abbau der Bürokratie!" Und er setzte hinzu: "Mit Walter war es ein toller Wettbewerb, jetzt wird die Politik viel einfacher werden."

Das sind ganz neue politische Töne. Denn bis zuletzt war ein Kopf-an-Kopf-Rennen von den Umfrageinstituten vorausgesagt worden (JF 16/08). Doch das vorläufige Endergebnis könnte klarer nicht sein: Berlusconis Bündnis "Volk der Freiheiten" erreichte in der Abgeordnetenkammer 37,4 Prozent (272 Sitze). Zusammen mit seinen nur regional angetretenen rechten Bündnispartnern Lega Nord (8,3 Prozent/60 Sitze) und der Süditalienischen Autonomiebewegung (1,13 Prozent/8 Sitze) kommt der Mitte-Rechts-Block auf 46,8 Prozent. Er verfügt somit über eine klare Mehrheit von 340 von 630 Kammerabgeordneten. Im Senat kommen die drei Parteien zusammen auf 47,3 Prozent und somit 168 von 315 Senatoren.

Veltronis aus Postkommunisten, Linksliberalen und linken Christdemokraten gebildete Demokratische Partei (PD) erreichte nur 33,2 Prozent (221 Sitze). Der PD-Bündnispartner Antonio Di Pietro und dessen liberale Anti-Korruptionspartei "Italien der Werte" (IdV) erreichte 4,4 Prozent (28 Sitze). Im Senat kommen beide zusammen auf 130 Stimmen. Veltroni gab seine klare Niederlage frühzeitig bekannt und versprach seine Zusammenarbeit bei den anstehenden dringendsten Reformen.

Im linken Lager herrscht nun allseits Wehklagen, Parteikongresse sollen die Lage später klären. Die große Überraschung dieser Wahl ist auch, daß dieser Urnengang ein Votum für den künftigen Bipolarismus in Italien war. Denn die kleinen Parteien rechts wie links der beiden Lager wurden gnadenlos weggefegt. Speziell die Kommunisten, die seit 1945 immer im Parlament saßen, erlebten ein wahres Waterloo: Kein einziger Kandidat aus dem altkommunistisch-grünen Linksbündnis Arcobaleno (3,1 Prozent) schaffte den Sprung in Kammer oder Senat. Fausto Bertinotti, einer der populärsten Altkommunisten im Lande, bis 2006 PRC-Chef und zuletzt Senatspräsident, trat wütend zurück: "Meine langjährige Parteikarriere endet auf die schlechteste Weise."

Auch der Parteichef der PRC-Dissidenten Comunisti Italiani, Oliviero Diliberto, blieb auf der Strecke. Ebenso wie die Sozialisten von Enrico Boselli - sie räumten mit 0,98 Prozent nach 116 Jahren das Feld. Die Anti-Islam-Aktivistin Daniela Santachè (JF 7/07), die zusammen mit Ex-Gesundheitsminister Francesco Storace für das Rechtsbündnis La Destra - Fiamma Tricolore (2,4 Prozent) antrat, feierte ihre private Wahlparty in Mailand - obwohl es kein Kandidat der Alleanza-Nazionale-Abspaltung ins Parlament geschafft hatte.

Auch der Rechtsintellektuelle Giuliano Ferrara, der mit seiner Liste "Abtreibung, nein Danke!" antrat, erntete außer Spott und Eierwürfen nur 0,37 Prozent. Die wertkonservativ-christdemokratische Kleinpartei UDC von Pier Ferdinando Casini schaffte es mit 5,6 Prozent (36 Sitze/3 Senatoren) ins Parlament. Die Südtiroler Volkspartei (SVP) stellt künftig 2 statt 3 Abgeordnete.

Die größte Überraschung gelang jedoch der einwanderungskritischen Lega Nord, die in der bevölkerungsreichsten Region Lombardei mit über 30 Prozent stärkste Einzelpartei wurde. Der Riesenerfolg sei Ausdruck der wirtschaftlichen Lähmung und der Unmöglichkeit der norditalienischen Unternehmer, angesichts der fehlenden Entscheidungskraft der Zentralregierung zu operieren, schrieb die La Stampa. Alle Großprojekte im Infrastrukturbereich wie etwa der Hochgeschwindigkeitszug Turin-Lyon wurden unter Links-Premier Romano Prodi auf Eis gelegt. "Wir werden den Föderalismus vorantreiben", kündigte Lega-Chef Umberto Bossi an.

Foto: Nachdenklicher Wahlsieger Berlusconi: "Es gibt viel zu tun"

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