© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/08 18. April 2008

"Ein selbsttherapeutischer Prozeß"
Immer noch besser, als andere zu hassen: Henryk M. Broder über jüdischen Selbsthaß von Marx bis Menuhin
Christian Dorn

Noch letzte Woche war Henryk M. Broder in der TV-Sendung "Hart, aber fair", in der es um die Existenz von Castingshows ging, als eitler, zynischer, selbstgefälliger älterer Mann zu erleben, "der überheblich grienend Personen demütigte, weil sie das hatten, was ihm fehlte: Respekt vor der Würde des Menschen", so ein FAZ-Kommentar.

Im Jüdischen Museum Berlin dagegen zeigte er sich am Montag dieser Woche wieder von seiner - zumeist - brillanten Seite, im Vortrag über "Jüdische(n) Selbsthaß von Marx bis heute". Dabei konnte die eingangs geäußerte Koketterie, dieses Thema sei für ihn auch "ein selbsttherapeutischer Prozeß", dem anwesenden Betrachter nahelegen, daß sich Broders zuweilen haßerfüllte Polemiken womöglich demselben Impuls verdanken. Freilich war der diesbezügliche Erkenntnisgewinn gering, resümierte Broder doch am Ende, daß Selbsthaß schon in Ordnung sei, weil es "immer noch besser ist, als wenn man andere haßt".

Ganz und gar nicht soll das derweil für jene jüdischen Zeitgenossen gelten, die dem Diktum des Schriftstellers Alexander Roda Roda folgen. Der zum Katholizismus konvertierte Jude Sandor Friedrich Rosenfeld hatte einst prophezeit, daß aus dem Antisemitismus schon noch was werden könne, wenn nur die Juden sich seiner annähmen. Zu diesen zählten heute beispielsweise Tony Judt, Norman Finkelstein oder Alfred Grosser, nicht zu vergessen auch die Kinder berühmter Väter, etwa der Sohn Yehudi Menuhins oder die Tochter Heinz Galinskis. Mit ihnen werde der Antisemitismus "koscher". Alle dienten sie Karl Marx, dem - so Broder - Prototyp des jüdischen Antisemiten, der in seinem Aufsatz "Zur Judenfrage" von 1844 im Schlußsatz festgehalten hatte: "Die gesellschaftliche Emanzipation des Juden ist die Emanzipation der Gesellschaft vom Judentum."

Der auf ein Werk Theodor Lessings zurückgehende Begriff vom "jüdischen Selbsthaß" verkörpere sich heute, so Broders überzeugende Explikation, im Anti-Zionismus. Der einstige Akt der Konversion bestünde in der Annahme eines anti-israelischen Standpunktes. Das Existenzrecht Israels, soviel wurde deutlich, ist gefährdeter als die DSDS-Kultur.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen