© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/08 18. April 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Marktgesetze
Karl Heinzen

Als Grund für die sozialen Spannungen in den wirtschaftlich unterentwickelten Nationen und die von ihnen ausgehenden Migrationsströme nach Europa und Nordamerika wurde in den vergangenen Jahren vor allem ein Mangel an Medienkompetenz der einheimischen Bevölkerungen gesehen. Dank der rasanten Verbreitung von Fernsehen und Internet hätten immer mehr Menschen auch in der "Dritten Welt" eine klare Vorstellung davon gewonnen, welcher Wohlstand in der nördlichen Hemisphäre herrscht. Anstatt daraus die Lehre zu ziehen, daß sie hart an sich selbst arbeiten müssen, um dereinst ein besseres Leben im Heimatlande führen zu können, würden sie aber entweder andere für ihr Los verantwortlich machen oder sich dorthin auf den Weg machen, wo das Glück ihrer naiven Auffassung nach ohne größere Mühe auf sie warte.

Hungerrevolten in Ägypten, Marokko, Westafrika, Mexiko und auf Haiti haben in den vergangenen Monaten jedoch vor Augen geführt, daß es vielen unzufriedenen Bürgern von Entwicklungs- und Schwellenländern offenbar gar nicht darum geht, endlich auch in den Genuß von entbehrlichen Luxusgütern zu kommen. Vielmehr scheint es ihnen nicht einmal mehr zu gelingen, die Grundlagen ihrer nackten Existenz sicherzustellen. Die massiven Preissteigerungen für zahlreiche Grundnahrungsmittel sind ein Weltmarktphänomen und haben sich daher auch in Ländern zugetragen, deren Bewohner in ihrer überwiegenden Mehrheit so wenig verdienen, daß sie dies nicht mit der Gelassenheit des sowieso eher auf die Qualität seiner Ernährung Wert legenden Europäers hinnehmen können. Die gewaltsamen Proteste, die daraus bereits resultiert sind, dürften, so die Auffassung des Internationalen Währungsfonds, der Auftakt zu einer Welle von Unruhen sein, da der Preisdruck wegen der wachsenden Nachfrage der Boomländer China und Indien eher zu- als abnehmen wird.

In der Abwägung der möglichen Gegenmaßnahmen müssen die betroffenen Länder nun darauf achten, daß sie den weltweiten Trend zu mehr Markt nicht umkehren. Auch die Subventionierung von Gütern des täglichen Bedarfs ist ein Eingriff in das freie Spiel von Angebot und Nachfrage und behindert eine effiziente Allokation der Ressourcen. Nicht anders als ihre Kollegen in den entwickelten Nationen müssen die Regierungen der "Dritten Welt" ihren Bürgern klarmachen, daß die Globalisierung nun einmal ihren Preis hat. Gerade wer Investoren durch Hungerlöhne locken will, muß in Kauf nehmen, daß dies Abstriche bei der Ernährung der Bevölkerung erfordert.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen