© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/08 25. April 2008

Gebremste Offensive
Innere Sicherheit: Entscheidung zur Online-Durchsuchung von Computern / BKA-Präsident rechnet mit zehn Fällen im Jahr
Eike Erdel

Nach monatelangem Streit hat sich die Große Koalition auf gesetzliche Regeln für Online-Durchsuchungen durch das Bundeskriminalamt (BKA) geeinigt. Über den Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause im Bundestag abgestimmt werden.

Als Online-Durchsuchung wird der verdeckte staatliche Zugriff auf fremde Rechner über das Internet bezeichnet. Das BKA-Gesetz mußte erneuert werden, nachdem die Aufgaben des Bundeskriminalamts als Teil der Föderalismusreform auch auf die Terrorabwehr ausgedehnt wurden. Der Gesetzentwurf lag bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Februar dieses Jahres über die Zulässigkeit der Online-Durchsuchung durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz auf Eis, da auf Wunsch der SPD zunächst diese Entscheidung abgewartet wurde, um die Vorgaben des Gerichts berücksichtigen zu können. Die Karlsruher Richter entschieden, daß die Regelungen zur Online-Durchsuchung in Nord-rhein-Westfalen verfassungswidrig und solche Durchsuchungen prinzipiell nur unter strengen Auflagen erlaubt  sind. Danach ist eine Online-Durchsuchung verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Zudem ist der Eingriff grundsätzlich nur aufgrund richterlicher Anordnung möglich. Diese Vorgaben werden in dem Gesetzentwurf nun berücksichtigt.

Die Union konnte sich dabei nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, den Ermittlern zur Installation der "Trojaner" genannten Spähprogramme auf den auszuforschenden Rechner auch den Zutritt zur Wohnung des Verdächtigen zu gestatten. Die SPD hielt dieses heimliche Eindringen in Wohnungen für grundgesetzwidrig. Somit können die Ermittler beim BKA die Trojaner nur von außen, etwa als E-Post-Anhang, auf den Rechner des Verdächtigen installieren. Das ist aber nach Einschätzung von Experten sehr schwierig, besonders dann, wenn die Antivirensoftware auf dem neuesten Stand ist. So schätzt man, daß an der Vorbereitung eines Trojaners im Schnitt zwölf Experten jeweils einen Monat lang arbeiten müssen. Bayern und Hessen haben daher bereits angekündigt, daß sie ihren Ermittlern zur Installation der Trojaner auch das Betreten der Wohnung gestatten wollen.

Ist der Rechner des Verdächtigen aber erst einmal geknackt, dann kann er über Monate ausgespäht werden. Alles, was auf dem Rechner ist, kann dann von den Ermittlern gelesen werden. Tastenanschläge können protokolliert und damit auch Paßwörter ausspioniert werden. Ist an dem Rechner eine Kamera oder ein Mikrofon, dann kann sogar die Wohnung überwacht werden, solange der Rechner eingeschaltet ist.

Nutzen von der Online-Durchsuchung erwarten die Ermittler vor allem in der Terrorismusbekämpfung. BKA-Präsident Jörg Ziercke geht von rund zehn Online-Durchsuchungen jährlich aus.

Foto: Computer unter die Lupe genommen: Staatlicher Zugriff

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