© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/08 02. Mai 2008

Wenn der Gegner fehlt
Sex, Spaß, Kohle machen: Die "neuen Feministinnen" kreisen vor allem um sich selbst
Ellen Kositza

Vergangene Woche wartete die sonst schmucklose Startseite der Internet-Suchmaschine Google mit einem Bildchen auf: ein Mädchen, breitbeinig vor einer Rechentafel stehend. Oh ja, Europa feierte Girls' Day! Hierzulande waren es Institutionen wie das Bundesbildungs-, Forschungs- und Familienministerium, die eher unbekannte Gleichstellungs- und Frauenministerienkonferenz und der DGB, die alljährlich einhellig beklagen, daß Jungs wie Mädels sich beruflich zu "eindimensional" orientierten. Also: Während die Knaben in Pflege- und Erziehungsberufen unterrepräsentiert sind, meiden die Mädels Sparten wie Elektronik und Metallverarbeitung. Weil Ministerien, Verbände und ihre Subalternen (Medien und Pädagogen) diese Sachlage als schief empfinden, war der 24. April wieder Tag des Rollentausches. Der Passant durfte sich an gelangweilten Jungs in Kita-Sandkästen und blaumannfreien Kichermädchen in Autowerkstätten erfreuen.

Dazu mag passen, daß über den Tag hinaus ein "Neuer Feminismus" ausgerufen worden ist. Uns steht, so soll es scheinen, ein neuformuliertes "weibliches Selbstbewußtsein" ins Haus. (Wozu, nebenbei, Angela Merkels breit diskutiertes Dekolleté paßt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.) Was nun wäre neu am "Neuen Feminismus", und was daran feministisch?

So dürfte die Reihenfolge stimmen: Aus der rebellischen, doch quantitativ vernachlässigungswerten Frauenbewegung der sechziger und siebziger Jahre erwuchs ein zunächst schüchterner (Ministerinnen wie Claudia Nolte und Merkel), dann zunehmend selbstgewisser Staatsfeminismus. Akademisch blähte sich in der postmodernen Umbruchszeit um 1989 ein Studienzweig namens Gender Studies auf, der inzwischen fächerübergreifend tätig ist und dessen "Forschungsergebnisse" auch in Ämter und Gesetze Einzug gehalten haben. Stichworte: Quotenregelungen, Gender Mainstreaming, Gleichstellungsparagraphen.

Vor drei Jahren dann das kurze Zwischenspiel: Da war zum einen die Demographiedebatte über den Zeugungs- und Gebärstreik der Deutschen. Zum anderen stellte Nachrichtensprecherin Eva Herman grundsätzlich die Erfolge der Frauenemanzipation in Frage. Ihre heiß umstrittenen Verweise auf die Nebenwirkungen feministischer Befreiungskriege wurden von zahlreichen Seiten flankiert. Liberale, konservative und gar linke Mediengrößen wie Frank Schirrmacher, Norbert Bolz, Susanne Gaschke und Lafontaine-Gattin Christa Müller attackierten Karrierefixierung und zukunftsvergessene Orientierung an Spaß-Kriterien gerade bei jungen Frauen.

Eine Zeitlang wurde aus vollen Rohren zurückgeschossen: gegen "Gebärkult" und "Mutterglucken", allgemein gegen die als angestaubt und hinterhältig empfundene Rückbesinnung auf konservative Familienwerte und gegen ein Frauenbild, das als gnadenlos rückständig empfunden wurde.

Aber wie das bei Grabenkämpfen so ist: Sinn, Auftrag und eigentliches Ziel geraten in Vergessenheit, wenn einem die Kugeln um die Ohren pfeifen. Zeit für eine Neubesinnung, eine neue Definition des Standpunkts. Das Abtreten von Deutschlands Vorzeigefeministin Nummer eins, Alice Schwarzer, von ihrem Chefposten bei der Emma dürfte dabei ein zeitlicher Zufall sein, ebenso das 68er-Großjubiläum. Es schien einfach geboten, die alten Schläuche des in die Jahre gekommenen Feminismus mit neuem Wein zu füllen.

Die Frage ist, ob das Flaschenetikett nicht trügt: Mal erscheint es eher wäßrig, mal hochprozentig, was uns da abgefüllt kredenzt wird - Wein schmeckt irgendwie anders. Die "neuen Feministinnen" auf den Titelblättern und in Verkaufscharts nennen sich "Alpha-", "Neue Deutsche Mädchen" oder Charlotte Roche und wollen mit Herman gar nichts, mit Schwarzer allenfalls einen "Grundkonsens" gemein haben. Substantiell kommt wenig rüber: ziemlich viel Sex und Spaß, eine selbstreferentielle Ausbreitung der Privatsphäre und daneben die alten Klagen (über den unterschwelligen "Objektstatus" der Frau) in neuem Gewand.

Neu ist daran vor allem das Fehlen eines Gegners: Seit Jahrzehnten gibt es keinen, der Frauen verbietet, bei Heirat ihren Namen zu behalten, einen Beruf zu ergreifen, abzutreiben und sich ohne juristische Schuldzuweisung scheiden zu lassen. Auch intimste Spitzfindigkeiten, die nun Charlotte Roche zu Reichtum und Berühmtheit verhalfen, waren längst kein Tabu mehr. Festzuhalten ist allein, daß der Feminismus (der bereits in den 1960ern als ein "Neuer" galt) endgültig massentauglich geworden ist.

Alice Schwarzer selbst sieht die aufgeblähte Debatte um einen "Neuen Feminismus" weniger als Streit um ihren Königinnenthron denn als ein Stück, das von Hofnarren gegeben wird. Der Medienhype sei "ein Kalkül der Werbestrategie von Verlagen", die nun auf einen großen Weiberzank hofften, um die Verkaufszahlen ihrer Bücher zu steigern. Sie wolle inhaltlich nicht detailliert in die Diskussion einsteigen und sich "den Luxus erlauben, andere reagieren zu lassen". Das geschieht soeben. Heißt: Das Mahlwerk der Gender-Maschine und all die Verteilungskämpfe um die vermeintlich besten Plätze an Arbeitsplatz, Herd und im Pornokino laufen weiter; letztlich unbeirrt.

Die Krone wird Alice Schwarzer zu deren Lebzeiten keiner streitig machen können: Am 4. Mai wird Schwarzer der nächste Orden umgehängt. In der Frankfurter Paulskirche wird ihr der mit 20.000 Euro dotierte Ludwig-Börne-Preis verliehen. Alleiniger Juror ist ausgerechnet Harald Schmidt, der lange als Wächter politischer Inkorrektheit galt. Er pries Schwarzer als "Sturmgeschütz der Gleichberechtigung" und, gewohnt launig, als "Vatikan der Frauenbewegung". Daß Schmidt einst auch der nun als Schwarzer-Antagonistin gefeierten Charlotte Roche zur Berühmtheit verhalf: Nebensache. Es ist alles ein Zirkus.

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