© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/08 02. Mai 2008

Gauweiler kündigt Klage an
Lissabon-Vertrag: CSU-Bundestagsabgeordneter hat verfassungsrechtliche Bedenken
Marcus Schmidt

Nach der Zustimmung des Bundestages zum Reformvertrag der Europäischen Union in der vergangenen Woche hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler seine Ankündigung bekräftigt, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Sollte es bis zur Ratifizierung des Vertrages keine Klarstellungen oder Änderungen mehr geben, werde er Karlsruhe anrufen.

"Was Brüssel jetzt an Kompetenzen bekommen soll, ist mit unseren demokratischen Prinzipien nicht vereinbar", sagte er der Saarbrücker Zeitung. Seine Ablehnung des Vertrages begründete er unter anderem mit dem Kompetenzverlust des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe gegenüber dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Über die unveräußerlichen Rechte der Bürger wache bislang Karlsruhe. "Mit dem Lissabon-Vertrag wird die Hoheit über diese Rechte ausländischen Gerichten übergeben, deren Mitglieder allesamt nicht auf das Grundgesetz vereidigt sind. Das gibt das Grundgesetz nicht her." Zudem sei das Verhältnis des EU-Gerichtshofes zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, bei dem Bundesbürger nach jahrelanger Verfahrensdauer noch Schutz vor Willkürakten europäischer Institutionen erstreiten könnten, völlig ungeklärt, führt Gauweiler in einer im Bundestag abgegebenen Erklärung zum Vertragswerk aus.

Darin kritisiert Gauweiler auch eine "vorbehaltlose Konzentration von Macht", durch die der europäische Staatenbund in einen kontinentalen Zentralstaat verwandelt werde. "Die Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der Verteidigungspolitik und der Durchführung militärischer Missionen, insbesondere 'Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung' und militärische Terrorismusbekämpfung in Drittstaaten, gehören nach dem neuen Vertrag ebenso zu den Aufgaben der Europäischen Union wie Terrorismusbekämpfung im Inneren, Asyl- und Einwanderungspolitik, Angleichung von Rechtsvorschriften im Zivilrecht und Erlaß von 'Mindestvorschriften' im Strafrecht oder Strafverfolgung durch Staatsanwaltschaft und Polizei", verdeutlicht der CSU-Politiker seine Vorbehalte.

Nach Ansicht Gauweilers hat der Bundestag mit seiner vorbehaltlosen Zustimmung zum Vertrag von Lissabon die Grenzen der Integrationsermächtigung des Artikels 23 des Grundgesetzes überschritten. Zugleich habe das Parlament gegen unabänderliche Verfassungsprinzipien im Sinne von Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetz verstoßen. Zu diesen Prinzipien zähle auch die souveräne Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland. "Eine solche Entscheidung könnte nur das Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt - durch Volksabstimmung - treffen, nicht aber der verfassungsgebundene Gesetzgeber."

Der Bundestag hatte am vergangenen Donnerstag dem Lissabon-Vertrag mit großer Mehrheit zugestimmt. Für den Vertrag votierten 573 Abgeordnete, dagegen ausgesprochen hatten sich alle Abgeordneten der Linksfraktion, sieben Parlamentarier der Unionsfraktion sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten Gert Winkelmeier und Henry Nitzsche.

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