© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/08 02. Mai 2008

CD: Rock
Gut gebrüllt
Michael Insel

In alten Zeiten, als "Big Hair"-Rock und Glam-Metal noch unangefochten über den Äther herrschten, machten (neben anderen) drei Bands ihren für dieses Genre nicht unüblichen klangvoll-pompösen Namen alle Ehre: White Lion, Royal Hunt und House of Lords. Von der Besetzung, die sich damals im Ruhm hoher Verkaufszahlen, einer Dauerpräsenz auf MTV und Spitzenplätzen in den Charts sonnen konnten, ist heute pro Band gerade noch ein Mitglied übrig.

Mit "Return of the Pride", ihrem ersten Studioalbum seit sechzehn Jahren, stimmen White Lion ein gar mächtiges Gebrüll an - Widerhall jener Scheibe, mit der ihnen unter dem Titel "Pride" 1987 der Durchbruch gelang. Inszeniert wurde die Rückkehr des Rudels im letzten Jahr auf Welttournee in Studios in Australien und Kopenhagen - diesen Sommer will man übrigens schon wieder losziehen. Etwaige Ermüdungserscheinungen sind den elf Stücken jedenfalls nicht anzumerken - herzzerreißend und hochdramatisch trifft es schon eher. Die längeren Nummern erzählen ganze Epen: Der Opener "Sangre de Cristo" verkleidet eine Antikriegsbotschaft als Sandalenschinken mit Glockengeläut und lodernden Gitarren in der Wüstensonne. "Battle of Little Big Horn" schildert jenes Blutbad vom 25. Juni 1876. Aus dem Geistertanz, den die Gitarren zelebrieren, sind Anklänge von Country-Rock herauszuhören. Die Pianoballade "Never Let You Go" und der Bonustrack "Take Me Home", eine akustische Folk-Rock-Nummer, bei der Gründungsmitglied Mike Tramp singt wie Tom Petty in seinen rührseligsten Momenten, setzen wohltuende Kontraste zur Wucht dieser Rock-Klänge.

Mehr Kontrastprogramm hätte auch den dänischen Neo-Prog-Metallern Royal Hunt nicht geschadet. Deren apokalyptischer Song-Zyklus "Collision Course: Paradox II" ist als eine Art nächste Folge ihres Konzeptalbums "Paradox" (1997) zu verstehen. Düsterster Zukunftspessimismus wird hier in melodische Furore gehüllt, Samuel Huntingtons Kampf der Kulturen als donnernder Zusammenprall zwischen religiösen Fundamentalismen aufgeführt. Die neue Besetzung unter Führung von Gründungsmitglied und Keyboard-Magier Andre Anderson und Sänger Mark Boals (ehemals Yngwie-Malmsteen und Ring of Fire) kommt ohne Sampling aus, sondern spielt die Holzblas- und Saiteninstrumente lieber gleich selber ein. Mit Hilfe von akustischen Gitarren, Multi-Dubbing und brutalen Trommelwirbeln entsteht das Klangbild einer Welt, die kurz vor der Zerstörung steht.

Wer allzu zartbesaitet ist, um sich diesem musikalischen Mahlstrom von Anfang bis Ende auszusetzen, sollte sich dennoch die Glanzlichter nicht entgehen lassen: den klassisch beeinflußtes Opener "Principles Of Paradox", die melancholische Ballade "High Noon at the Battlefield" mit den wunderschönen Frauenstimmen von Soma Allpass und Michelle Raitzin als Background-Gesang, oder auch das letzte Stück "Chaos A. C." mit Anleihen bei White­snake.

Dergleichen vermißt man schmerzlich auf der neuen Scheibe von House of Lords, "Come To My Kingdom". Treue Fans freilich werden von den vierzehn neuen Stücken nicht enttäuscht sein. Von der ursprünglichen Besetzung, die 1989 von Kiss-Bassisten Gene Simmons' Plattenfirma unter Vertrag genommen wurde und im nächsten Jahr mit einer Cover-Version von Blind Faiths "Can't Find My Way Home" einen Hit hatte, ist heute nur noch Sänger James Christian dabei. Ihn zieht es hörbar zurück in die Hochzeiten des Stadion-Rock, und so folgt ein blecherner Hard-Rocker dem nächsten, bis die letzte Nummer, "Another Day From Heaven", mit einem gelungenen akustischen Remix von einem der besseren Stücke des Albums beweist, daß weniger definitiv mehr ist.

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