© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/08 02. Mai 2008

"Machen Sie den Weg frei"
Rücktrittsforderung an Springer-Chef Döpfner
Rainer Tilemann

Nein, da saßen keine Strahlemänner, die vergnügt auf die Aktionäre schauten. Die Mienen des Springer-Vorstandes auf der Hauptversammlung im Neubau der Berliner Konzernzentrale wirkten etwas verbissen - so als wäre er vor Beginn der Hauptversammlung von der Patriarchin des Verlages noch gemaßregelt worden.

Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende, machte aus dem Debakel auch keinen Hehl. Er mußte zugeben, daß beim Ausflug ins Briefgeschäft mehr als 500 Millionen Euro verbrannt worden waren. Das Pin-Desaster kostete das Haus ein Drittel seines Eigenkapitals. Die Schuld sieht Döpfner aber bei der - Bundesregierung. Die nämlich habe durch ihr "planwirtschaftliches Vorgehen" (gemeint ist der Mindestlohn) das Projekt zum Scheitern gebracht. Das habe der Vorstand nicht vorhersehen können. Pikant: Ausgerechnet Kanzlerin Merkel gilt doch als enge Freundin von Mehrheitsgesellschafterin Friede Springer.

Eine Reihe von Kleinaktionären gab sich damit auch nicht zufrieden. Sie bezweifelten, daß der Mindestlohn den Ausschlag für den Springer-Ausstieg gegeben habe. Der Vorstand habe vielmehr kalte Füße bekommen und sei vor den Schwierigkeiten weggelaufen. Unternehmensberater Michael Hasenkamp (er führt selbst einen Briefzustelldienst) hielt dem Vorstand vor, daß mit Einführung des Mindestlohns die Kosten bei Pin nicht einmal um zehn Prozent gestiegen wären. "Wer erst mehr als 550 Millionen Euro in die Hand nimmt und dann glaubt, diese unvorgesehene Kostensteigerung nicht schultern zu können, der hat unternehmerisch versagt."

"Treten Sie zurück, machen Sie den Weg frei", rief er Döpfner zu. Der erwiderte: "Ich sehe keinen Anlaß für diesen Schritt." Dafür erwägt der Verlag Schadenersatzklagen gegen das Ex-Pin-Management und den Bund.

Immerhin: Trotz Pin-Katastrophe machte der Verlag 2007 einen Gesamtumsatz von 2,58 Milliarden Euro (plus 8,5 Prozent) und einen Gewinn von 421,7 Millionen Euro (Vorjahr: 375 Millionen). Trostpflaster für die Aktionäre: eine Rekord-Dividende. Trotz des Millionengrabs Pin gibt es vier Euro je Aktie. Trostpflaster für den Vorstand: Seine Gehaltssteigerungen betragen fast 40 Prozent.

Wie sieht die Strategie von Döpfner jetzt aus? Er will sich auf die Märkte konzentrieren, "die von politischen Entscheidungen unabhängig sind". Die Zukunft liege in der Digitalisierung und im Ausland. Das sagte er 2006 auf der Hauptversammlung schon einmal. Nicht sonderlich innovativ also.

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