© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Zum Tode Philipp Freiherr von Boeselagers
Einer der letzten Helden
Dieter Stein

Am vergangenen Donnerstag starb der vorletzte Teilnehmer der Erhebung des 20. Juli 1944. Philipp Freiherr von Boeselager gehörte zu einer Gruppe von Wehrmachtsoffizieren, die die Beseitigung des Diktators Hitler planten. Bei seinem Einsatz in der Heeresgruppe Mitte beim Rußlandfeldzug erfuhr er 1941 von der Ermordung von Juden und Zigeunern im Rücken der Front.

Mehrfach schilderte Boeselager im Gespräch mit dieser Zeitung, wie angesichts der Meldungen von den Mordaktionen der Entschluß zum Widerstand wuchs: "Unsere Reichsregierung war eine Verbrecherbande! Das war ein Schlag ins Gesicht. Und mehr und mehr wurde deutlich, daß hinter dem Morden System steckte." Boeselager war es, der die Sprengsätze beschaffte, die der Kopf der Verschwörung, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, am 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen zur Explosion bringen sollte.

Bekanntlich schlug die Erhebung fehl und wurde blutig niedergeschlagen. Sie legte jedoch Zeugnis ab davon, daß es eine weitverzweigte Gruppe von patriotischen Gegnern des nationalsozialistischen Regimes gab, die trotz aller Gefahr zur Tat entschlossen waren. Offiziere wie Boeselager, Tresckow und Stauffenberg waren nicht etwa widersprüchliche Ausnahmeerscheinungen des preußisch-deutschen Soldaten und Offiziers, vielmehr waren sie in ihrer Ethik und ihrer Tat deren Inkarnation.

In einem großen Porträt setzte Boeselager dem Mitverschwörer Henning von Tresckow 2004 in dieser Zeitung ein Denkmal (JF 29/04). Dort rief er Tresckows Abschiedsworte vor dessen Selbstmord in Erinnerung: "Niemand kann über seinen Tod Klage führen. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessushemd angezogen. Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugungen sein Leben hinzugeben."

Boeselager überlebte die Verfolgungsmaßnahmen des Dritten Reiches, weil Kameraden, die ihn hätten belasten können, sich entweder erschossen oder selbst unter Folter ihr Wissen nicht preisgaben. Wer könnte sich heute solcher Treue sicher sein? Er begehrte gegen den tiefen Bruch des Rechts auf. Als im Zuge des Einigungsvertrages 1990 die Regierung Kohl die sowjetischen Enteignungen in Mitteldeutschland zwischen 1945 und 1949 anerkannte und der Staat daraus Profit schlagen wollte, protestierte er scharf gegen diese Verhöhnung des Rechts.

Daß die JUNGE FREIHEIT dem 20. Juli 1944 seit jeher ein würdiges Andenken widmet, schätzte Boeselager sehr. In mehreren Interviews, aber auch Beiträgen trug er mit dazu bei. Zuletzt schrieb er das Geleitwort für den Anfang dieses Jahres in der Edition JF erschienenen Dokumentationsband "Helden der Nation - Beiträge und Interviews zum 20. Juli 1944" und bekräftigte dort, daß diese Widerstandskämpfer "erfüllt von echter Vaterlandsliebe" handelten, um "Deutschland zu retten und seine Ehre wiederherzustellen". Ein Vermächtnis, das wir weitertragen werden.

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