© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Unterwerfung als Prinzip
Ein Gespräch mit JF-Chefredakteur Dieter Stein zur CDU und den "Fall Peter Krause"
Felix Krautkrämer

Herr Stein, haben Sie sich über die Angriffe gegen Peter Krause (CDU) wegen seiner zehn Jahre zurückliegenden Tätigkeit als Redakteur der JUNGEN FREIHEIT gewundert?

Stein: Sie war nicht überraschend, denn es ist nicht die erste, sondern die gefühlt hundertste Kampagne dieser Art.

Warum sprechen Sie von einer Kampagne?

Stein: Unsere Gesellschaft hat nicht ein Problem mit der JF. Die JUNGE FREIHEIT und Krauses frühere Tätigkeit sind nur der Aufhänger für diese Kampagne. Im öffentlichen Diskurs, der von einer linken Hegemonie bestimmt ist, hat man vielmehr ein prinzipielles Problem, anzuerkennen, daß es nicht nur eine "linke", sondern auch eine "rechte" Intelligenz gibt. Unsere Gesellschaft hat ein Problem mit der demokratischen Praxis, wenn es auszuhalten gilt, daß es nicht nur Konsens - im Zweifel linksliberalen -, sondern auch den konservativen, rechten Widerspruch gibt. Erinnern wir uns an die hysterische Reaktion auf Botho Strauß' Spiegel-Aufsatz "Anschwellender Bocksgesang" 1993, in dem er wagte, eine rechtsintellektuelle Position zu formulieren.

Sie verorten die JF ja noch nicht einmal "rechts"!

Stein: Richtig. Die Begriffe "Links" und "Rechts" sind auch letztlich nur begrenzt brauchbar zur Abbildung einer komplexen politischen Wirklichkeit. Sie haben nach dem Zusammenbruch der großen totalitären Ideologien nur noch begrenzte Aussagekraft. Wenn, dann halte ich den Begriff des "Konservativen" für sinnvoller.

Dennoch sprechen wir im Meinungsstreit stets von Links und Rechts.

Stein: Insofern muß man anerkennen, daß diese Begriffe im Meinungsstreit alltäglich die Praxis bestimmen. Die CDU müßte den Begriff des "Rechten" im eigenen Interesse vor dem Extremismusvorwurf in Schutz nehmen.

Hilft es dann, sich um den Begriff "Rechts" herumzudrücken?

Stein: Es ist tatsächlich der Kardinalfehler, den insbesondere die CDU und das sie tragende bürgerliche Milieu begehen, zu glauben, man könne den Begriff "Rechts" ignorieren oder als Unwort bannen. Bürgerliche Politiker glauben, indem man sich polemischen Begriffen nicht widersetzt, wie sie in der Formel "Kampf gegen Rechts" zum Ausdruck kommen, sei man von diesen Angriffen nicht betroffen, schließlich ist man ja so clever und verortet sich selbst in der "Mitte". Doch das Publikum sieht nun mal Grüne und SPD links und FDP und CDU/CSU im Parlament rechts sitzen. Die Stühle auf der Rechten sind ja nicht leer.

Steht die CDU nicht in der Mitte?

Stein: Natürlich steht die CDU in der Mitte, und sie hat nur noch einen kleinen rechten Flügel. Aber das Publikum sortiert selbstverständlich das im öffentlichen Raum existente politische Spektrum von links nach rechts - und wenn alle Beteiligten hundertmal erklären, sie stünden in der "Mitte" oder "Neuen Mitte".

Was also muß die CDU tun, wenn eine Kampagne gegen einen vermeintlich "Rechten" oder Konservativen in ihren Reihen läuft? Bisher hat die CDU in allen Kampagnen, die sich gegen einen ihrer Konservativen richtete, versagt und kapituliert.

Stein: Sie muß die Legitimität eines explizit rechten Standortes in der Politik verteidigen. Sie muß sagen: Wo eine Linke ist, muß auch eine Rechte sein. Franz Josef Strauß beispielsweise hat dies immer getan. Oder Peter Gauweiler, der erst im letzten Herbst in der Süddeutschen Zeitung forderte, daß "die mit der unterschiedlichen Betrachtung nun einmal verbundenen rechten und linken Wahrheiten offen ausgesprochen werden dürfen. Wo das nicht geschieht, ist ein ödlangweiliger politischer Einheitsbrei die Folge, den man in den Talkshows beobachten kann und der mitursächlich für die oft blamabel geringe Wahlbeteiligung hierzulande ist."

Hatten Sie geglaubt, daß Peter Krause am 8. Mai Minister wird?

Stein: Wenn man rekapituliert, wie sich die CDU in ähnlichen Situationen verhalten hat, dann war ich äußerst pessimistisch und rechnete jeden Tag damit, daß Ministerpräsident Dieter Althaus einknickt. Dies ist ja nun auch erfolgt, und Peter Krause mußte sich aus "persönlichen Gründen" verabschieden. Wenn wir uns die "Affären" Philipp Jenninger, Steffen Heitmann, Martin Hohmann, Günther Oettinger etc. in Erinnerung rufen: Stets war die CDU unfähig, linken Kampagnen gegen konservative Exponenten etwas entgegenzusetzen. Die CDU ist schließlich die opportunistischste Partei Deutschlands. Und sie ist nicht lernfähig. Stets wurden die Opfer zu Zugeständnissen gedrängt - um sie dann doch fallenzulassen. Es war bestürzend zu sehen, zu welchen rituellen Distanzierungen sich Peter Krause zum Schluß hat drängen lassen. Er hätte zu seiner anfänglichen Haltung stehen sollen.

Warum immer wieder das gleiche Muster?

Stein: Peter Krause ist nicht der erste Fall, bei dem sich die Union im Rahmen von Kampagnen als widerstandsunfähig erwiesen hat. Es offenbart sich hier ein strukturelles Defizit. Kurz: Sie lernt nichts aus diesen Kampagnen, sondern stolpert wie ein Neurotiker immer wieder in dieselbe Falle - unter dem begeisterten Beifall des politischen Gegners. Es ist der immergleiche Faschismus-Knüppel, den politische Konkurrenten von CDU/CSU aus dem Sack holen, um die Union wie auf Knopfdruck in die Knie zu zwingen: Sei es bei der "Leitkultur"-Debatte, sei es bei der "Doppelpaß"-Kampagne, sei es beim "Aufstand der Anständigen" - stets ist es vor allem der CDU nicht gelungen, eine anhaltende Auseinandersetzung in einer kontroversen Grundsatzfrage gegen die Medien, gegen den politischen Gegner durchzustehen, wenn der Vorwurf "rechtsradikaler Tendenzen" im Raum stand.

Versagt das Konrad-Adenauer-Haus?

Stein: Die Union ist überhaupt für geschichtspolitische und geistige Auseinandersetzungen nicht gewappnet. Sie überläßt dieses Feld dem Gegner, einer "kritischen Öffentlichkeit" in den Medien. Sie verfügt über keine historische Kommission, sie setzt sich nicht mit Begriffsdefinitionen auseinander, sie unterwirft sich im Zweifel, bevor es zum Konflikt kommt.

 

Foto: Dieter Stein, Chefredakteur der JF: "Unsere Gesellschaft hat ein Problem mit der demokratischen Praxis, wenn es auszuhalten gilt, daß es nicht nur Konsens - im Zweifel linksliberalen -, sondern auch den konservativen, rechten Widerspruch gibt."

Foto: Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) rennt am 23. April nach einer Pressekonferenz in Erfurt eine Treppe hinauf: Rund 16 Monate vor der Landtagswahl besetzt der Thüringer Regierungschef sein Kabinett auf sechs von neun Positionen neu.

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