© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Dresdner kämpfen um Welterbestatus
Sachsen: Mit einem neuen Bürgerentscheid wollen die Gegner der Waldschlößchenbrücke in letzter Sekunde den Bau eines Tunnels durchsetzen
Paul Leonhard

Der Streit um den Bau der Waldschlößchenbrücke in Dresden nimmt kein Ende. In der vergangenen Woche machte der Dresdner Stadtrat den Weg für einen Bürgerentscheid frei, mit dem der Bau eines Tunnels durchgesetzt werden soll  -  doch der amtierende Bürgermeister Lutz Vogel (parteilos) legte umgehend Widerspruch ein. 

Auch international sorgt der im November begonnene Bau der Brücke, der den Welterbestatus Dresdens bedroht, für Verwicklungen, denn er ist offenbar ein Verstoß gegen geltende völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands. Das geht aus einem Schreiben der Bundesregierung im Auftrag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hervor. Die Unesco-Welterbekonvention sei bereits wirksam in innerstaatliches Recht übertragen worden und binde alle staatlichen Ebenen in Deutschland, heißt es darin "Damit sind auch die Länder, die sich ja in den vergangenen 32 Jahren in vielen Fällen aktiv und erfolgreich um Aufnahme in die Welterbeliste bemüht haben, an die Welterbekonvention gebunden."

Gleichzeitig schreckt die Bundeskanzlerin davor zurück, direkt einzugreifen: Die Verantwortung für den Bau der Waldschlößchenbrücke liege bei der Landeshauptstadt Dresden und bei Sachsen. Die Bundesregierung könne nur an die Verantwortlichen appellieren, nicht aber selbst mit Weisungen oder Anordnungen eingreifen. Noch deutlicher werden die Diplomaten. Durch eine Realisierung des Brückenprojektes könne "erheblicher Schaden für die Bundesrepublik Deutschland und alle Länder entstehen", teilte das Auswärtige Amt mit. Es wäre gut, Situationen zu vermeiden, in denen Deutschland vorgeworfen werden könne, völkerrechtliche Verpflichtungen zu verletzen.

Die Unesco hatte angekündigt, dem Dresdner Elbtal den Titel eines Weltkulturerbe abzuerkennen, sollte die vor sechs Jahren durch einen Bürgerentscheid beschlossene Waldschlößchenbrücke gebaut werden. Sie zerstöre die einmalige Flußlandschaft.  Einen Tunnel würde man dagegen akzeptieren. Seitdem herrscht in der Landeshauptstadt ein Dauerkonflikt zwischen Brückengegnern und -befürwortern.

Die jüngsten Äußerungen aus Berlin  sind Wasser auf die Mühlen der Brückengegner. Mehr als 35.000 Dresdner haben das Bürgerbegehren für den Bau eines Tunnels unterschrieben, der die geplante, das Elbtal an seiner sensibelsten Stelle zerschneidende Brücke ersetzen soll. Trotzdem hält die Stadtverwaltung an dem Bauvorhaben fest.

Das Bürgerbegehren sei abzulehnen, heißt es in einer Stellungnahme des Rathauses. Es sei unklar, wie die Mehrkosten eines Tunnels bezahlt werden sollen: "In finanzieller Hinsicht würde ein entsprechender Grundsatzbeschluß ins Blaue hinein gefaßt."  Außerdem sei ein Bürgerbegehren gesetzwidrig, wenn es "bereits im Ansatz gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" verstoße. Die genannten Mehrkosten würden in zweistelliger Millionenhöhe von den Schätzungen der Verwaltung abweichen, die von fast 60 Millionen Euro ausgeht.

Während Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und auch die christdemokratische Kandidatin für das vakante Dresdner Oberbürgermeisteramt, Sozialministerin Helma Orosz, den Brückenbau unterstützen, setzt Koalitionspartner SPD auf den Tunnel. Es bleibe bei der von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) angebotenen Kostenbeteiligung des Bundes bei Bau eines Tunnels, sagte SPD-Generalsekretär Dirk Panter. Werde Dresden von der Welterbeliste gestrichen, "droht ernsthaft die Rückforderung von 96 Millionen Euro Fördermitteln durch den Bund". Dann müsse der Freistaat die Zeche dafür bezahlen, daß die "CDU kompromißunfähig an einer fixen Idee festhält", die mit dem Welterbeanspruch Dresdens nicht vereinbar sei. Ins gleiche Horn stößt Verkehrsminister Thomas Jurk (SPD): Alle Beteiligten sollten innehalten und nicht durch Beton vollendete Tatsachen schaffen.

Gibt es einen erneuten Bürgerentscheid, dann am 8. Juni, wenn auch ein neuer Oberbürgermeister gewählt wird. Dann werden garantiert Studenten der Brandenburgischen Technischen Universität in Dresden weilen. Denn in Cottbus gibt es seit kurzem den Unesco-Master-Studiengang Welterbe. Am Beispiel Waldschlößchenbrücke wird den Studenten erklärt, wie Konflikte mit Kultur- und Naturerbe gelöst werden sollten.

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