© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

WIRTSCHAFT
Kapitulation vor der Inflation
Wilhelm Hankel

Mit Inflation verbinden ältere Deutsche eine ebenso präzise wie unheilvolle Erinnerung: den Verlust von Geldwert, Lebensersparnis und bürgerlicher Existenz - kurz die Verarmung. Die Inflation zerstörte nach dem Ersten Weltkrieg die Grundlagen der Weimarer Demokratie, nach dem Zweiten Weltkrieg verzögerte sie den Aufstieg aus den Ruinen, bis mit der D-Mark (noch vor Gründung der beiden Nachkriegsstaaten) die Basis für das westdeutsche Wirtschaftswunder gelegt wurde. Die politische Konsequenz war die Schaffung der (vom Staat) unabhängigen Deutschen Bundesbank. Der Griff des Staates nach der Notenpresse sollte nie wieder die Menschen um den Lohn ihrer Lebensarbeit betrügen. Doch was ist daraus geworden? Der Euro ist international bärenstark, doch national weicht er mit jedem Tag auf. In den Euro-Ländern grassiert die Inflation, inzwischen auch in Deutschland.

Doch die Europäische Zentralbank läßt sie laufen. Sie verknappt weder das Geld, noch erhöht sie die Zinsen. Die Währungshüter sind ratlos. Die einen befolgen den Wink ihrer wenig stabilitätsorientierten Regierungen, die anderen fürchten den Ärger mit den Banken in ihrer selbstverschuldeten Krise und eine mächtige Exportlobby, die keine weitere Aufwertung des Euro akzeptiert. Alle zusammen sind sie blind für die Inflation, die seit Jahren an den Finanz- und Rohstoffmärkten der Weltwirtschaft tobt. Jetzt kommt, verstärkt durch eine aberwitzige Anbaupolitik ("Biosprit"), die Inflation der Agrarpreise hinzu. Die Inflation läßt alle Menschen verarmen - nur nicht die wenigen Anbieter weltweit knapper Ressourcen. Sie verdienen prächtig wie die Ölscheichs. Nur wie lange? Aus der Kapitulation vor der Inflation entsteht nicht globaler Friede, sondern Krieg.

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