© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/08 16. Mai 2008

Charakterschwäche
Den Kampf um Begriffe und Personen hat die CDU längst aufgegeben
Karlheinz Weissmann

Der "Fall Krause" ist erledigt. Was bleibt zu sagen? Zu sagen bleibt, daß sein Ausgang niemanden überraschen kann, nicht die Geschlossenheit des antifaschistischen Blocks, nicht die Feigheit der Union, nicht das Desinteresse an der Sache. Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt war die Qualifikation des Kandidaten völlig unwichtig geworden und übte die Medienmacht der Linken und der Liberalen einen derartigen Druck aus, daß die FAZ, die vorsichtig Flankenschutz für Krause bot, kaum jemanden finden konnte, der bereit war, bei Namensnennung für den Angegriffenen einzutreten.

Die Thüringische Landeszeitung, die maßgeblich an der Kampagne beteiligt war, zählte triumphierend die Mitglieder des breiten Bündnisses auf, das sich gefunden hatte, um den "Rechtslastigen", den "Rechten", den "Holocaust-Relativierer", den "Nazi" zur Strecke zu bringen: Neben SPD, PDS, den Grünen und den zahllosen Basisinitiativen ihres Umfelds noch eine neue APO - "außerparlamentarische Opposition ... wie der Lehrerverband, die Gewerkschaften, die Gedenkstätten, die Jüdische Landesgemeinde und der Zentralrat der Juden".

Angesichts dieser Front blieb dem Kandidaten bestenfalls der Rückhalt in der eigenen Partei, die aber nie aus der Defensive herauskam und deren Spitze auf eine öffentliche Bloßstellung Krauses wohl nur verzichtet hat, weil Ministerpräsident Dieter Althaus als treuer Gefolgsmann von Angela Merkel gilt und Schaden von ihm ferngehalten werden sollte.

Das Verhalten der CDU entsprach ihrer üblichen Taktik, die man seit Kohls Zeiten kennt und die den "Fall Krause" allen vorherigen, etwa dem "Fall Heitmann" , so ähnlich scheinen läßt. Man zögert, die Ursache in Dummheit oder Blindheit der Parteiführung zu suchen. Wahrscheinlicher ist, daß das Verhalten ganz folgerichtig war, eine Konsequenz ihres letzten Prinzips: des Prinzips, auf Prinzipien zu verzichten. Das hält ihr Mißtrauen wach, wenn in den eigenen Reihen jemand mit Überzeugungen auftaucht, die so klar konturiert sind, daß sie im Bereich der veröffentlichten Meinung Anstoß erregen könnten. Die Führung selbst zeigt niedrigstes Profil, längst hört kein Mensch mehr, auch kein Parteimitglied, den Sonntagsreden über Wertebewußtsein und christliches Menschenbild zu, jeder weiß, daß es damit nichts auf sich hat.

Was die Partei an Parolen braucht, ist politisches "branding", das sich der Themen bedient, die man nach einer Schamfrist von der Gegenseite übernimmt (Emanzipation, Ökologie, Schwulenehe) oder die US-amerikanisch aufzuschminken sind (Patriotismus, Steuersenkung, Globalisierung).

Der relative Erfolg dieses Konzepts hat mit Lagegerechtigkeit zu tun: Nach dem Verfall der alten Milieus, die die CDU getragen hatten, Katholiken, Nationalprotestanten, Vertriebene, Wirtschaftsliberale, mußte sich die Partei entweder eine neue weltanschauliche Basis verschaffen oder ganz darauf verzichten. Entschied sie sich für die erste Möglichkeit, bedeutete das dauernde schwere Auseinandersetzungen mit dem anderen Lager, das die kulturelle Hegemonie als seinen claim betrachtete, und die Notwendigkeit, langfristig zu denken. Entschied sie sich für die zweite, war die Union als Klientelpartei zu organisieren, die neben der Verheißung von individuellen oder Gruppenvorteilen im Fall eines Wahlsiegs die Erwartung zusammenhält, daß lästige inhaltliche Konflikte ausbleiben und man sich im Namen des demokratischen Kompromisses um die wirklich wichtigen Fragen kümmern kann: Personalpolitik, Einflußnahme, Förderung der Interessenvertreter, die die CDU unterstützen.

Die Union folgte der zweiten Option, und das heißt einem Verhaltensmuster vieler bürgerlicher Sammlungsparteien. Für die Konsequenz, mit der sich die CDU aller Weltanschauung entledigte, findet sich allerdings keine Parallele. Dafür gibt es Gründe in der erwähnten Machtstellung des Gegners auf dem Feld der Metapolitik, die auch alles übertrifft, was man im Ausland gewohnt ist. Dort beobachtet mancher die Entwicklung der Bundesrepublik deshalb mit Unbehagen, und die Neue Zürcher Zeitung, sonst keiner Sympathie für die Rechte verdächtig, hat in einem Kommentar zum Rückzug Krauses festgestellt: "Was ihm jetzt zustieß, zeigt den desolaten Zustand der öffentlichen Kommunikation in Deutschland, wenn es um die Verschränkung von Gegenwart und NS-Vergangenheit geht. Vom Zustand, in dem nur 'die zwanglose Kraft des besseren Arguments gilt', ist man weit entfernt. Offenbar braucht die deutsche öffentliche Meinung im Halbjahresrhythmus die Entlarvung und Ausstoßung eines (vermeintlichen) NS-Wiedergängers als letztes gemeinschaftsbildendes Ritual."

Was hier aufgezeigt wird, ist der Zusammenhang von antifaschistischem Konsens und quasi-totalitärer Machtstellung jener, die ihn hüten. Man kann das von außen vor allem für ein Problem der guten Sitten halten oder für das Erbe deutscher Untertanengesinnung, vor Ort hat man es mit einem kardinalen politischen Problem zu tun, das sich - wenn überhaupt - nur in der Auseinandersetzung bewältigen läßt, indem man tut, was die größte bürgerliche Kraft aus Opportunismus und allgemeiner Charakterschwäche nicht tut: den Kampf um die Begriffe und die Personen führen.

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