© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/08 16. Mai 2008

Angstschweiß auf der Stirn
Reportage: In der Parlamentsdebatte zum "Fall Krause" hat die CDU den aggressiven Angriffen der Opposition wenig entgegenzusetzen
Hinrich Rohbohm

Gelassen sitzt er im Plenum. Peter Krause lehnt sich auf seinem Landtagssitz zurück, die Hände ineinander gefaltet. Seine Gesichtszüge sind entspannt. Fast könnte man meinen, die ganze Debatte im Erfurter Landtag gehe ihn nichts an. Doch in Wahrheit verhält es sich anders. Eigentlich dreht sich an jenem geschichtsträchtigen 8. Mai fast alles um Peter Krause. An diesem Tag sollte der 44jährige zum Kultusminister Thüringens ernannt werden. Doch daraus wurde nichts. Nach heftigen Attacken der linken Parteien, einer über Wochen schwelenden Diskussion um seine Person sowie einem Anschlag Unbekannter auf das Auto seiner Frau verzichtete Krause auf das Amt (JF 20/07). "Das ist Politik", sagt er der JUNGEN FREIHEIT.

Sein "Vergehen": Er hatte für die JF gearbeitet, deren politische Ausrichtung SPD, Grünen und der Linkspartei nicht paßt. Die Folge: Als an jenem 8. Mai der neue Kultusminister die Schwurhand zur Vereidigung hebt, heißt der nicht Krause, sondern Bernward Müller, 58 Jahre, Mathematik- und Physiklehrer von Beruf. Im Ministerium kennt man ihn. Er hatte dort als Referatsleiter gearbeitet, war zudem persönlicher Referent von Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU), als der noch das Amt des Kultusministers bekleidete. "Ein äußerst integrer Mann, fachlich versiert und in seiner früheren Tätigkeit als Lehrer hoch angesehen", lobt ein ehemaliger Mitarbeiter des Ministeriums den Neuen gegenüber der JF.

Doch selbst wenn Ministerpräsident Althaus damit bei der Besetzung dieses Amtes noch die Kurve bekommen haben sollte: Auch der 8. Mai des Jahres 2008 geht als Tag der Kapitulation in die Geschichte ein. Es ist die Kapitulation der Meinungsfreiheit, die Kapitulation demokratischer Instanzen. Und es ist letztlich auch eine Kapitulation der CDU vor sich selbst und vor den linken Parteien. Einer Union, die im Thüringer Landtag über die absolute Mehrheit verfügt. Einer Partei, die sich dennoch von der Opposition vorschreiben ließ, wen sie als Minister benennen dürfe und wen nicht.

Erst allmählich scheint das Bewußtsein Einzug zu halten, daß da etwas mit der politischen Kommunikation in Deutschland nicht stimmen kann. Und der Weckruf kommt bezeichnenderweise nicht von den deutschen Medien. Er kommt aus dem Ausland.

"Was dort geschah, wirft ein düsteres Licht auf die deutschen Diskursverhältnisse, zeigt es doch, daß Medien ohne professionelle Selbstkontrolle an Kampagnen mitmachen, wenn diese die Stoßrichtung gegen Rechts haben", schreibt die Neue Zürcher Zeitung und führt aus, mit wenigen Ausnahmen habe es niemanden in den deutschen Medien gestört, daß "die Jagd auf Krause keine belastbaren Belege für seine rechtslastige oder ultrakonservative Gesinnung zutage förderte".

Die Bild-Zeitung wagte sich zumindest mit einem Kommentar hervor, in dem sie von einer "medialen Hetzjagd" gegen Krause spricht und davon, daß der Angegriffene hätte wissen müssen, wie es in Deutschland um die Meinungsfreiheit bestellt sei.

"Die Art und Weise, wie man mit dem Krause umgeht, erinnert mich ganz stark an den Vorfall mit Eva Herman", empört sich eine interessierte Erfurterin gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Ganz unrecht scheint sie nicht zu haben. Denn auch nach der Vereidigung ist das Thema Peter Krause noch nicht beendet. Für den Nachmittag hat die Linksfraktion eine aktuelle Stunde zum Thema "Die Neue Rechte in Thüringen und die Causa Krause" beantragt.

Linke-Fraktionschef Dieter Hausold tritt ans Rednerpult. Er spricht von Hitler, von Faschismus. Davon, daß es eine neue Rechte gebe, die versuche, in die Mitte der Gesellschaft zu gelangen. Von denen müsse man sich klar abgrenzen, sekundiert SPD-Fraktionschef Christoph Matschie unter dem harmonisch einheitlichen Beifall von SPD und der Linkspartei. Es klingt dramatisch, vielleicht sogar ein wenig hysterisch. Lauscht man den beiden Rednern, so könnte man fast meinen, Deutschland stehe wieder kurz vor dem 30. Januar 1933.

Ein Blick in das Rund des Erfurter Landtags zeigt ein anderes Bild. Im Plenum sitzen keine "Neonazis" noch sonst irgendwer, der den Reden Hausolds und Matschies Berechtigung verleihen könnte. Im Plenum sitzen Christdemokraten und Sozialdemokraten. Und die Linkspartei - jene Partei, die sich einst PDS und SED nannte. Kommunisten, die den Menschen 40 Jahre lang die Freiheit nahmen, deren Kader für Folter und Mauertote verantwortlich waren. Über sie wird an diesem Tag nur wenig gesprochen.

Jörg Schwäblein (CDU) versucht es kurz, spricht davon, daß SPD und Linke ein Abgrenzungsproblem beim Linksextremismus haben - um dann hastig den Satz hinterherzuschieben, daß dies aber jetzt nicht das Thema sei und die CDU eine demokratische Linke anerkenne. Auch der neue CDU-Fraktionschef Mike Mohring versucht sich zunächst in Gegenwehr. "Die neue Rechte ist eine Leerformel", verkündet er. Der Linksfraktion gehe es "um Ideologie und um sonst gar nichts. Daß sie weder Skrupel noch Moral kennt, hat sie in den vergangenen Tagen bewiesen", geht der Christdemokrat in die Offensive.

Um dann seinen Verbalangriff auf halber Strecke mit einer "Ja, aber"-Rhetorik abzubrechen. Ja, die junge freiheit sei sehr wohl ein anerkanntes Medium in der deutschen Presselandschaft. Aber: "Bestimmte Facetten" an der Zeitung seien für ihn problematisch, schränkt Mohring gleich wieder ein, ohne jene "Facetten" weiter zu konkretisieren.

Und so wirkt die CDU in der Debatte wie das ängstliche Kaninchen vor der Schlange, zaghaft in ihren Argumenten, den Angstschweiß auf der Stirn tragend. Birgit Pelke (SPD) und Karin Kaschuba (Linkspartei) müssen ihn gerochen haben, setzen ihre Attacken mit haßerfüllten Reden fort, kritisieren die Aussagen von CDU-Fraktionschef Mohring.

Kein Wort dagegen zur Ernennung der CDU-Landtagsabgeordneten Marion Walsmann zur Justizministerin. Dabei hatte Walsmann als Mitglied der letzten DDR-Volkskammer 1989 einer Resolution zugestimmt, die das Massaker auf dem Pekinger Tiananmen-Platz begrüßte.

Auch in den Medien wurde dieser "Fall" eher am Rande behandelt. Der Vorsitzende des Vereins "Medien Quo vadis - Bürger gegen Medienmanipulation", Mario Bohrmann, zeigt sich über die Berichterstattung in deutschen Medien erschüttert, spricht im "Fall Krause" von einem "vorauseilenden Gehorsam" der Presse gegenüber den linken Parteien. "Es kann doch nicht sein, daß man jemanden in die rechtsextreme Ecke schiebt, nur um ihn mundtot zu machen", sagte Bohrmann der JF. Der Verein plane jetzt Protestaktionen und Informationsveranstaltungen, um auf die fragwürdige Medienberichterstattung aufmerksam zu machen.

Daß dies notwendig ist, zeigt ein Blick in die Thüringer Presselandschaft. Hier war Krause von der schreibenden Zunft besonders hart angegangen worden. In der Thüringer Allgemeinen schrieb Henryk Goldberg über den "Fall" Krause, daß der zwar kein Neonazi sei. Allerdings sei er "einer von denen, die, gewollt oder nicht, auf einem gediegenen intellektuellen Niveau dafür Sorge tragen, daß diesem Bodensatz eine weiträumige geistige Legitimation zuwächst".

Was der Leser nicht erfährt: Goldberg sitzt gewissermaßen in einem Glashaus, wenn er auf Krause zielt, da er selbst einst als Kulturredakteur für die marxistisch orientierte Junge Welt tätig war, die ehemalige Zeitung der DDR-Staatsjugend FDJ. Das Blatt wird im Verfassungsschutzbericht 2006 als "Printmedium im linksextremistischen Bereich" bezeichnet. Goldbergs neuer Arbeitgeber, die Thüringer Allgemeine, hat mit Sergej Lochthofen einen 1953 in der Sowjetunion geborenen Chefredakteur, der einst beim SED-Propagandaorgan Das Volk volontierte. Die Zeitung ist Teil des mächtigen und einflußreichen WAZ-Konzerns, dessen Geschäftsführer der ehemalige Kanzleramtschef Bodo Hombach (SPD) ist.

Unterdessen scheint Peter Krause den veranstalteten Wirbel um seine Person selbst nicht mehr ernst zu nehmen. Als die Linksfraktion seinen Namen nennt und von neuer Rechter, Grauzonen und Rechtsextremismus spricht, ringt ihm dies nur noch ein müdes Lächeln ab, entspannt zurückgelehnt in seinem Stuhl sitzend, die Hände ineinander gefaltet.

Fotos: Krause-Ersatzmann Müller bei der Vereidigung: "Integrer Mann", P. Krause: Gefaltete Hände

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