© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/08 16. Mai 2008

CD: Electro/Rock
Umsturz
Martin Lichtmesz

Während linke Bands und Liedermacher zum festen Bestandteil der Popmusik zählen, sind rechte Projekte zu einem hoffnungslosen Nischendasein verdammt. Gerade in Deutschland ist die Lage trist. Eine entsprechende Produktion findet nahezu ausschließlich in den engen Mauern des nationalen Ghettos statt, wo sie zwischen braunen Schnulzen und grölender Pogrom-Musik oszilliert.

Italien hat es da mal wieder besser. Zwar gibt es auch dort eine einschlägige "Rechtsrock"-Szene mit den bekannten Ingredienzien. Bereits seit den späten Sechzigern hat sich allerdings eine Richtung entwickelt, die unter dem Sammelbegriff "Musica Alternativa" bekannt geworden ist. Sie verknüpft Folk-, Pop- und Rockelemente mit politischen rechten Inhalten und hat im Laufe von fast vier Jahrzehnten einen beachtlichen Spielraum gewonnen.

Eines der interessanten Projekte aus diesem Umfeld ist Sottofasciasemplice (SFS), das seit 1995 aktive Ein-Mann-Projekt des Musikers Katanga, der im bürgerlich-zivilen Leben in Japan wohnt und arbeitet. Seit Mitte der achtziger Jahre spielte er in Punk- und Gothic-Bands und wurde berüchtigt als Frontmann der RAC-Combo Intolleranza. Ein anderes kurzlebiges Projekt nannte sich in Anspielung auf Ernst Jünger Sulle Scogliere di Marmo ("Auf den Marmorklippen").

Inzwischen hat Katanga seine Anfänge als Oi-Agitator weit hinter sich gelassen. Die offizielle Myspace-Seite der Band (www.myspace.com/sottofasciasemplice) betont, daß sie diskriminierendes, etwa rassistisches, Gedankengut ausdrücklich ablehnt. Nichtsdestotrotz fällt sie regelmäßig "politisch korrekten" Säuberungen der Myspace-Administratoren zum Opfer.

Das Markenzeichen von SFS ist Katangas virile, sonor-gelassen tönende Stimme. Die Musik bewegt sich zwischen hartem Rock und elektronischen Beats. Als wichtige Einflüsse nennt Katanga Soft Cell und Gary Numan ebenso wie die Punkbands The Exploited und UK Subs, aber auch Neofolk-Klassiker à la Death in June und Sol Invictus. Seine in einem deklamatorischen Sprechgesang vorgetragenen, brachial-poetischen Texte, die sich auf einem hohen Niveau bewegen, befassen sich nur zu einem kleinen Teil explizit mit Politik. Aber auch Katangas politische Texte vermeiden Gemeinplätze und hohles Pathos. Sein Meisterstück in dieser Richtung ist wohl der Song "Come mai?" ("Warum?") von dem brillanten Album "Idrovolante" (2006), ein sarkastischer Rundumschlag gegen die Generation der Achtundsechziger.

Das jüngste Album nennt sich "Filospinato" ("Bolzenschneider") und zeigt auf dem Cover eine martialische Gestalt im Manga-Stil, die sich ihren Weg durch einen Stacheldrahtverhau gekämpft hat. Obwohl auch dieses Album in Japan eingespielt wurde, ist der politische Bezug zu Katangas Heimatland Italien diesmal stärker ausgeprägt als in den Vorgängern und vereint scharfe Zeitkritik mit unverkrampft-lässigem Agitprop. Der Hit des Albums ist zweifelsohne die Nummer "Sorpasso Electronico" ("Elektronischer Umsturz"): "Wir brauchen eine neue Idee /einen Batteriewechsel / Etwas Italienisches/ Etwas Richtiges/ Etwas Avantgardistisches/ ... Ich behaupte nicht: Das ist es! / Ich behaupte nicht, ich könnte nicht falsch liegen / Ich sage nur, daß die Musik / eine zweischneidige Waffe ist."

Wer des Italienischen nicht mächtig ist, findet im Beiheft Übersetzungen in englischer und japanischer (!) Sprache. Die Musik auf "Filospinato" bewegt sich weg vom Rock zu einem stärker elektronischen, tanzbaren Sound. Bestellen kann man die CDs über den Musica Alternativa-Versand www.raido.it oder direkt bei der Band unter der E-Post-Adresse sottofasciasemplice@hotmail.com .

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