© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/08 16. Mai 2008

Der Krieg um die Seelen
Die Medienwissenschaftler Matthias Karmasin und Werner Faulstich bringen wenig Neues zum Thema psychologische Kriegführung
Hans-Joachim von Leesen

Es ist eine Binsenwahrheit, daß im Deutschland unserer Tage die Bedeutung der psychologischen Kriegführung - sei es in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft - unterschätzt wird. Da geht man mit einigen Erwartungen an die Lektüre des neuen Buches "Krieg-Medien-Kultur" der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Matthias Karmasin (Klagenfurt) und Werner Faulstich (Lüneburg), das sieben Beiträge zusammenfaßt und sich rühmt, damit der vom akademischen Zeitgeist geforderten Interdisziplinarität zu genügen. Aber so beziehungslos, wie die drei Worte des Titels nebeneinanderstehen, erscheinen auch die Beiträge. Alle widmen sich oberflächlich der psychologischen Kriegführung, die zu einem modernen Krieg gehört wie etwa die Luftwaffe und die Artillerie, und zwar gleichgültig, welche Staaten an einem Krieg beteiligt sind. Die US-Amerikaner geben in den letzten Jahren beeindruckende Beispiele von der Wirksamkeit und auch Unwirksamkeit ihrer Art der psychologischen Kriegführung, Dieser wesentliche Begriff kommt nur in einem einzigen der Beiträge vor.

Alles andere ist ein Glasperlenspiel, man forschte um des jeweiligen Teilgebietes willen. Kein Wort über die Wirkung der psychologischen Kriegführung in den beiden letzten großen Kriegen, nichts auch über die Folgen, die etwa die völlige Unterschätzung dieser Kriegsform deutscherseits im Ersten Weltkrieg mit sich brachte. Der Psychologe Paul Linebarger von der Johns Hopkins University in Washington schloß in seinem grundlegenden Werk "Psychological Warfare" (deutsche Ausgabe als "Kampf um die Seelen", Hamburg 1960) nicht aus, daß die Überlegenheit der Westmächte auf dem Gebiet der psychologischen Kriegführung ihnen maßgeblich zum Sieg über Deutschland verhalf, eine Überlegenheit, die Deutschland erst im Zweiten Weltkrieg aufholte. Doch Linebargers Standardwerk fehlt in den umfangreichen Literaturverzeichnissen, die sich jedem Beitrag anschließen, ebenso wie ein Hinweis auf die erhellende und praxisnahe Veröffentlichung des Leiters des britischen Rundfunk-Psychokrieges im Zweiten Weltkrieg, Sefton Delmer ("Die Deutschen und ich"). Statt dessen wird lang und breit abgehandelt, welche Postkarten mit patriotischen Motiven während des Ersten Weltkrieges ausgetauscht wurden. Die "Medienkultur im Nationalsozialismus" wird so dargestellt, als habe sie sich während des Krieges wesentlich unterschieden von der etwa der Sowjetunion oder Großbritanniens. Wie das Bild als Propagandamittel im Ersten Weltkrieg verwendet wurde, ist längst anderswo gründlicher dargestellt worden, ebenso die Rolle einiger US-amerikanischer Filmfirmen für den Eintritt Amerikas in den Zweiten Weltkrieges.

Es hätte sich wahrlich gelohnt, einem der Grundsätze nachzugehen, die Linebarger in seinem Buch aufgestellt hat, nämlich der Feststellung, daß psychologische Kriegführung vor dem Krieg, während des Krieges und nach dem Krieg betrieben werden müsse, wenn ein Land einen Dauererfolg erzielen wolle. Aber nichts davon. So wirkt das Buch seltsam unpolitisch, und da stellt sich die Frage, ob ein so aktuelles Thema wie das der psychologischen Kriegführung überhaupt auf diese Weise sinnvoll behandelt werden kann.

Das heißt, so ganz unpolitisch ist es auch wieder nicht. Über die meisten Beiträge ist der obligate Puder antifaschistischer Gesinnungshuberei gestäubt. Der aber vernebelt lediglich die Einsicht in das bedeutsame Thema. Das Buch hat deshalb seine Chance vertan - schade.

Matthias Karmasin, Werner Faulstich (Hrsg.): Krieg-Medien-Kultur. Neue Forschungsansätze. Wilhelm Fink Verlag, München 2007, broschiert, 186 Seiten, 22,90 Euro

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