© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/08 23. Mai 2008

Aufgeschnappt
Trauerkultur der anderen Art
Matthias Bäkermann

Das schmerzhafte Gefühl der Trauer äußert sich beim Menschen in verschiedenster Form – lautes Wehklagen, schweigende Andacht, Depression, aber auch durch Wut und Verzweifelung. Im Evangelischen Krankenhaus Bethanien in Iserlohn entwickelte sich aus der Trauer über den Tod einer Angehörigen ein regelrechter Exzeß. In den frühen Morgenstunden des vergangenen Sonntags wurde eine 56jährige Türkin mit dem Notarztwagen in die Klinik eingeliefert, wo sie etwas später an Herzversagen starb. Bei den zwölf anwesenden Familienmitgliedern kanalisierte die Trauer über ihren Tod allerdings in einen „ungewöhnlichen Vorgang“, wie Horst Hennig, Geschäftsführer von Bethanien, lakonisch resümierte. Kurzerhand wurde die Einrichtung des Aufnahmezimmers demoliert, Holzverkleidungen von den Wänden gerissen und sogar medizinisches Gerät beschädigt. Die herbeigerufene Polizei konnte die aufgebrachten Frauen und Männer nicht beruhigen, wurde statt dessen mit Tritten und Schlägen traktiert und mußte insgesamt acht weitere Einsatzfahrzeuge zur Verstärkung anfordern. Doch auch die Trauergemeinde mobilisierte weitere Angehörige, so daß die später eintreffenden 16 Beamten etwa vierzig aufgebrachten Türken vor der Krankenhaustür gegenüberstanden. Erst nach anderthalb Stunden gelang es, den Tumult „im deeskalierenden und beruhigenden Einsatz“ und mit Pfefferspray zu beenden. Während gegen die Trauergemeinde Anzeigen wegen einer ganzen Reihe von Delikten erstattet wurden, will die Krankenhausleitung beim Integrationsrat der Stadt Iserlohn nun das Gespräch suchen.

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