© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/08 30. Mai 2008

Ein brisantes Gutachten
Erbschaftsteuer: Der Reformentwurf der Regierung steuert auf eine abermalige Verfassungswidrigkeit zu
Klaus Peter Krause

Schweres Geschütz gegen die Erbschaftsteuer im ganzen und gegen den Reformentwurf der Bundesregierung im besonderen fährt jetzt der renommierte Finanzwissenschaftler Jo-achim Lang auf. Der Beschuß gipfelt in der Feststellung, daß die großkoalitionären Pläne auf eine abermalige Verfassungswidrigkeit zusteuern. Das ist allein schon deswegen bemerkenswert, weil mit der neuen Erbschaft- und Schenkungsteuer die bestehende Verfassungswidrigkeit gerade beseitigt werden soll.

Zwar ist gegenwärtig nicht die Steuer selbst verfassungswidrig, wohl aber, wie das Vererbte oder Verschenkte derzeit bewertet wird (JF 8/07). Daher muß der Gesetzgeber die Vermögen künftig gleichbehandeln. So hat es das Bundesverfassungsgericht ihm vor gut einem Jahr zur Pflicht gemacht (JF 7/07). Ist das bis Ende dieses Jahres nicht geschehen, fällt die Steuer ersatzlos fort.

Für Lang birgt der Regierungsentwurf die Gefahr, daß die Steuerbelastungen verfassungswidrig zu hoch ausfallen, weil sie mit der Erbrechtsgarantie unvereinbar seien. Er schreibt: "In den Fällen, in denen Erben Immobilien und Unternehmensteile verkaufen müssen, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können, schöpft die kumulierte Erbschaft- und Ertragsteuerlast nicht selten mehr als siebzig Prozent des geerbten Vermögens ab. Die gesamte Steuerbelastung kann zum Beispiel mehr als die Erbschaft aufzehren, wenn zum Beispiel die Börsenwerte von Aktien nach dem Erbgang abstürzen", so Lang.

"Die geplanten Vorschriften der Bewertung verschärfen das Problem konfiskatorischer Besteuerung: So kann zum Beispiel die Erbschaft eines Unternehmens für die Entrichtung der Erbschaftsteuer nicht ausreichen, wenn das Unternehmen mit einem hohen Zukunftswert bewertet wird und der Erbe das Unternehmen wenige Jahre danach liquidieren muß, weil er für die Führung des Unternehmens ungeeignet ist." Aber auch sonst könnten die neuen Bewertungsvorschriften verfassungswidrige Übermaßbesteuerungen bewirken.

Darüber hinaus qualifiziert Lang die Erbschaftsteuer als "Ausnahmefall einer fiskalisch ungeeigneten Steuer". Damit verletze sie das verfassungsrechtliche Übermaßverbot insgesamt. Er verweist hierzu auf das nur bescheidene Steueraufkommen von jährlich rund vier Milliarden Euro. Dies werde allein schon durch unverhältnismäßig hohe Kosten für Verwaltung und Gerichtsbarkeit geschmälert. Hinzu kämen aber die Ertragsteuerausfälle als Folge erbschaftsteuerbedingter Kapitalflucht und Verlust von Arbeitsplätzen wegen Abwanderung, Liquidation und Insolvenz von Firmen. Diese Ausfälle würden die vier Milliarden abzüglich der Kosten, also den Nettoertrag, in Milliardenhöhe sogar noch übersteigen. Damit werde die Erbschafts- und Schenkungsteuer zum Fiskalverlust. Dazu trage besonders die künftige Erbschaftsteuerfreiheit Österreichs bei. Von der wiederum sei besonders Bayern betroffen.

Lang ist Ordinarius für Steuerrecht an der Universität Köln, dort Leiter des Instituts für Steuerrecht und auf seinem Gebiet eine unbestrittene Kapazität. Auch leitet er die 76köpfige Kommission Steuergesetzbuch der in Berlin ansässigen Stiftung Marktwirtschaft. Diese Kommission hat in weit über 150 Sitzungen ihrer Arbeitsgruppen Reformvorschläge zur Einkommensteuer, zur Unternehmensbesteuerung und zu den Kommunalfinanzen mit konkreten Gesetzentwürfen ausgearbeitet. Langs umfassendes Verdikt gegen die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist Gegenstand seines 52seitigen Gutachtens für den Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen in Berlin (BFW). Dem Verband gehören 1.600 Mitglieder und verbundene Unternehmen an. Sie verwalten laut eigenen Angaben momentan etwa 3,2 Millionen Wohnungen sowie Gewerberäume von insgesamt 10,4 Millionen Quadratmeter Nutzfläche.

Der BFW stellt vor allem heraus, daß die mittelständische Immobilienwirtschaft verfassungswidrig diskriminiert wird: "Mit der geplanten Erbschaftsteuerreform droht der mittelständischen Immobilienwirtschaft der Ausverkauf. Unser Verband rechnet mit Mehrbelastungen von bis zu 300 Prozent", so BFW-Chef Walter Rasch. "Es ist nicht zu erklären, welcher Unterschied zwischen einer Immobiliengesellschaft und einer Autovermietung besteht. Die Autovermietung ist nach erbschaftsteuerlichem Ansatz steuerbefreit, ein Wohnungsunternehmen nicht."

Dem möglichen Vorwurf, ein Gefälligkeitsgutachten abgegeben zu haben, steht Langs untadeliger Ruf als Wissenschaftler und sein bisheriges fachliches Wirken entgegen. Ohnehin ist Lang mit seinem Verdikt unter Wissenschaftlern und anderen Experten alles andere als allein. Was Lang auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer an Vorhaltungen und Einsprüchen niederprasseln läßt, wirkt geradezu wie ein Trommelfeuer. Darunter sind diese: Die Steuer ist nicht mehr zeitgemäß. Immer mehr Staaten schaffen sie ab, weil sie wie keine andere Steuer Kapitalflucht bewirkt. Hauptsächlich ihr ist es zu verdanken, daß rund 500 Milliarden Euro deutsches Kapital im Ausland liegen, ein gutes Drittel davon in der Schweiz. Keine Steuer erzeugt mehr Widerstand als sie.

Folglich sind die Anstrengungen groß, sie zu vermeiden. Selbst für Immobilien, mit denen man nicht ins Ausland flüchten kann, gibt es Lösungen, der Steuer zu entkommen: "Man bringt Grundstücke in eine Kapitalgesellschaft ein, die ihren Sitz in einem erbschaftsteuerfreien Land hat. Tritt der Erbfall ein und leben Erblasser und Erbe im erbschaftsteuerfreien Land mit meist hoher Lebensqualität, so hat der deutsche Fiskus keinen Zugriff auf das in Deutschland gelegene Betriebskapital der Kapitalgesellschaft."

Lang empfiehlt, die Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer zu integrieren. Diese sei sehr viel umverteilungseffizienter als die Erbschaftsteuer mit ihrem Anteil am gesamten Steueraufkommen von weniger als einem Prozent. Diese Empfehlung sollte es dem deutschen Gesetzgeber erleichtern, die Steuer endlich zu streichen. Wie hoch die Gewinne für Staat, Beschäftigung und Wohlfahrt der Bürger dann wären, läßt sich, so Lang, nur erahnen. Aber gewiß wären sie.

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