© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/08 06. Juni 2008

Alle in einem Boot
Hamburg: Senat und Wirtschaft stemmen sich gemeinsam gegen den Verkauf der größten deutschen Reederei Hapag-Lloyd ins Ausland
Michael Wiesberg

Der Showdown im Bieterstreit um die TUI-Tochter Hapag Lloyd AG naht und damit die Entscheidung über die Frage, ob es einem Hamburger Konsortium von Investoren unterschiedlichster Provenienz einschließlich des Senats der Hansestadt gelingt, eine Übernahme der bedeutenden deutschen Traditionsreederei durch asiatische Konkurrenten in Gestalt der singapurischen Reederei Neptune Orient Lines (NOL) zu verhindern.

Nicht auszuschließen ist, daß auch noch Branchenriesen wie der dänische Logistik-Gigant Möller-Maersk, zu dem mit der Maersk Line die größte Containerschiff-Reederei der Welt gehört, oder die französische Reederei CMA CGM, eine der größten Reedereien der Welt, mit einer Offerte in den Verkaufsprozeß einsteigen.

Die Hapag-Lloyd AG, die neben dem weltweiten Containerverkehr auch Kreuzfahrten anbietet, ist nach der Übernahme des kanadisch-britischen Konkurrenten CP Ships im Jahre 2005 in die Top 5 der weltweit tätigen Liniendienste aufgestiegen, die im Zuge der Globalisierung immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die AG entstand am 1. September 1970 durch die Fusion der traditionsreichen Hamburg-Amerikanische-Packetfahrt Actien-Gesellschaft (Hapag, 1847 in Hamburg gegründet) mit dem Norddeutschen Lloyd (1857 in Bremen gegründet). Im Geschäftsjahr 2007 erzielte Hapag-Lloyd laut eigener Auskunft einen Umsatz von rund sechs Milliarden Euro. Die Flotte besteht aus 141 Containerschiffen mit einer Kapazität von gut 493.000 Standardcontainern. Seit 1997 gehört das Unternehmen zum in Hannover ansässigen TUI-Konzern. Das Touristik-Unternehmen gab vor geraumer Zeit bekannt, sich von der Schiffahrtstochter Hapag Lloyd trennen zu wollen, weil es sich in Zukunft vor allem auf das Touristikgeschäft spezialisieren will. Allerdings dürften auch die Schulden der Hapag Lloyd eine Rolle spielen, die sich vor allem aus Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Finanzierung bei der Übernahme von CP Ships beziehungsweise aus den Unterhaltskosten für die große Schiffsflotte zusammensetzen.

Als Favorit auf die Übernahme der Hapag Lloyd AG muß derzeit wohl die NOL gelten, die sechs bis sieben Milliarden Dollar auf den Tisch legen will, um die Containerschiff-Sparte von Hapag Lloyd zu übernehmen. NOL wäre dann der drittgrößte Containerschiff-Betreiber weltweit. An NOL ist die Temasek-Holding der singapurischen Regierung mit 68 Prozent beteiligt. Das zeigt an, welche Bedeutung in Singapur der Übernahme der Hapag Lloyd beigemessen wird. Die Temasek-Holding engagiert sich bei Unternehmen mit guten Wachstumsprognosen, um die Entwicklung des asiatischen Stadtstaates voranzutreiben.

Dieser ausländischen Kapitalmacht steht nun ein Hamburger Konsortium gegenüber, das auch Unterstützung durch die öffentliche Hand erhalten hat. Ziel ist es, Reederei und Arbeitsplätze in Hamburg zu halten und eine ausländische Übernahme zu verhindern. Das soll über eine Beteiligungsgesellschaft, der eigens gegründeten "Verwaltung Hamburgische Seefahrtsbeteiligung Albert Ballin GmbH", erreicht werden.

Daß sich diese GmbH nach Albert Ballin benannt hat, ist kein Zufall: Ballin, ab 1899 Generaldirektor der Hapag und Vertrauter Kaiser Wilhelms II., machte aus dem Unternehmen die größte Schiffahrtslinie der Welt; unter seiner Verantwortung nahm die Hapag aufgrund des Baus schneller und leistungsfähiger Schiffe erfolgreich am Wettbewerb um den Transatlantikverkehr teil.

40 Prozent und damit den Löwenanteil an der Albert-Ballin-GmbH halten das private Bankhaus M. M. Warburg sowie die Kühne Holding AG. Die Stadt Hamburg hat 200.000 Euro in die GmbH eingebracht. Wer sonst noch zu den Investoren gehört, darüber wird in der Hansestadt derzeit heftig spekuliert. Fachleute geben diesem Konstrukt nur dann eine Chance, wenn einmal möglichst schnell Geld, und zwar viel Geld, bewegt werden kann und wenn zum anderen die Familie Oetker, der mit "Hamburg Süd" die zweitgröße Reederei in Deutschland gehört, mit von der Partie ist. Die Familie Oetker hat in der  Vergangenheit bereits einmal versucht, die Hapag Lloyd zu übernehmen. Zweifelsohne ließen sich bei einer Fusion beider Reedereien bedeutende Synergieeffekte erzielen, eine entsprechende Bestätigung seitens des Oetker-Konzerns steht bisher allerdings noch aus. Neben dem Oetker-Konzern ist auch der Tchibo-Erbe Günter Herz als möglicher Investor im Gespräch.

Laut dem für das Konsortium tätigen früheren Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) besteht mit Blick auf das kommende Bietergefecht durchaus Grund zu Optimismus: "Wir sind bereit", ließ er verlauten. "Wir haben ausreichend Investoren zusammen." Ob es dieser Initiative aber tatsächlich gelingen wird, Hapag Lloyd in Hamburg und damit in Deutschland zu halten, wird sich schon in den kommenden Wochen weisen.

Foto: Containerschiff der Reederei Hapag-Lloyd auf der Elbe: Weltweit die Nummer fünf

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