© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/08 06. Juni 2008

UMWELT
Riskante Aktion
Herbert Stengel

Egal ob die Kinder in die Schule kommen oder ein Todesfall zu beklagen ist, in aller Frühe und spät abends - sieben Tage in der Woche und 365 Tage im Jahr stehen sie im Stall. Es ist deshalb verständlich, wenn unsere Bauern auf die Barrikade gehen und mehr Milchgeld fordern. 43 Cent pro Kilogramm Milch fordert der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), denn angesichts fallender Preise in Richtung 30 Cent und rasant steigender Produktionskosten droht vielen Familienbetrieben - und das ist das Gros der gut 100.000 Milcherzeuger in Deutschland - das Aus. So sind 2007 die Preise für Futterweizen auf das Doppelte und für Leistungsfutter um über 40 Prozent in die Höhe geschnellt. Bei Dünger waren es fast 60 Prozent. Hinzu kommen die exorbitanten Dieselpreise und die EU-weit höchste Agrarkraftstoffbesteuerung. Auf dem Papier läßt sich die desolate Lage leicht kalkulieren: Nach Abzug der variablen Kosten für Futter, Tierarzt und Energie sowie den fixen Kosten für Gebäude und Maschinen bleiben - wenn überhaupt - nur wenige Milch-Cent für das eigentliche Leben.

Den Bauern sind bessere Zeiten zu wünschen. Diese indes mit einem Milch-Lieferboykott herbeizuführen, war ein vages Unterfangen. Denn die Molkereien sichern sich ihren Milchfluß und etablierten neue Lieferwege mit noch produzierenden Milchlieferanten auch aus benachbarten Milchländern wie Frankreich oder Polen. Ferner sind ehemals von deutschen Milchbauern belieferte Exportmärkte bereits weggebrochen. Und zudem werden erzwungen höhere Preise nach den Gesetzen des freien Marktes zu einer schwindenden Kauflust beim Konsumenten führen. Die Agrarrebellen von heute könnten daher morgen das Nachsehen haben.

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