© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/08 06. Juni 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Engagement
Karl Heinzen

Amnesty International ist eine Organisation, die anders als Staaten keiner demokratischen Legitimation bedarf. Sie hat sich dem Ziel verschrieben, die Menschenrechte für alle Individuen der Weltgesellschaft durchzusetzen, ganz gleich, was diese davon halten mögen. Theoretisch wäre es zwar vorstellbar oder sogar wahrscheinlich, daß sich global eine Mehrheit der Bürger dafür ausspricht, autoritäre Regime, die manchmal immerhin Ordnung gewährleisten, nicht aus Prinzipienreiterei zu unterminieren, bloß damit sich eine Minderheit von Oppositionellen ohne Furcht vor Drangsalierung in Szene setzen kann. Da die Menschenrechte aber unveräußerlich sind, müßte und dürfte einem derartigen Votum keine Beachtung geschenkt werden.

Die moralische Ausnahmestellung, die Amnesty International aus den Vereinszwecken ableiten kann, verleiht auch den Jahresberichten der Organisation besonderes Gewicht. Selbst Regierungen von gut beleumundeten Staaten müssen sich dieser Zertifizierung ihres Handelns stellen, vergleichbar in etwa den Herstellern von Konsumgütern, die den Prüfberichten der Stiftung Warentest Rechnung zu tragen haben. Unser Land ist hierbei in der erfreulichen Situation, stets recht gut abzuschneiden, und auch in diesem Jahr waren offenkundig keine gravierenden Mängel in seiner Menschenrechtsbilanz auszumachen.

Allerdings reicht es in einer Welt, die insgesamt von soviel Grauen und Unrecht geprägt ist, nicht aus, bloß seine eigenen Hausaufgaben zu erledigen, um dann die Hände in den Schoß zu legen und dem Treiben um sich herum zuzusehen. Wer die Menschenrechte wirklich beherzigt, muß auch aktiv werden, um ihre universale Gültigkeit durchzusetzen. Auf diesem Gebiet jedoch, so moniert Amnesty International, lasse es Deutschland an Initiative mangeln und begünstige so beispielsweise Menschenrechtsverletzungen, die von den Amerikanern unter dem Deckmantel des Krieges gegen Terrorismus begangen werden.

Mit derartigen Vorwürfen sollte jedoch nur der um sich werfen, dessen eigene Weste rein ist. Für Amnesty International trifft dies nicht zu. So großsprecherisch sich die Organisation auch geriert, so halbherzig ist unter dem Strich ihr Engagement. Wer den Menschenrechten weltweit gegen massive Widerstände Geltung verschaffen möchte, darf sich nicht allein auf Medienkampagnen und Bittbriefe beschränken, er muß die Intervention gegen Diktaturen propagieren, notfalls die militärische. Hier sind viele einstige Pazifisten in Deutschland schon viel weiter, von den USA ganz zu schweigen.

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