© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/08 06. Juni 2008

Zwei Euro für Ernst Jünger
Tobias Wimbauer schreibt Erzählungen
Harald Harzheim

Wußten Sie schon, daß nicht Walt Disney, sondern ausgerechnet der symbolistische Dichter Maurice Maeterlinck die Mickymaus erfand? Das wußten Sie nicht? Dann schlagen Sie nach bei Tobias Wimbauer! Aber nicht in seinem akribisch erstellten Personenregister der Tagebücher Ernst Jüngers, in dem er einige von Jünger verwendete Decknamen entschlüsselte, sondern im "Lagebericht" - einer Sammlung mit Kurzgeschichten über Literatur, Autobiographie, Alltagserlebnisse, durchsoffene Nächte und andere "Feuchtgebiete".

Auf der ersten Seite prangt warnend ein Zitat von Jean-Jacques Rousseau: Nehmt die menschlichen Geistesprodukte nicht so übertrieben wichtig. - Okay, versprochen. Die Titelgeschichte präsentiert einen Autor mit intellektueller Ladehemmung, der nur noch herumlungert und die Zeit totschlägt. "Die ersten Tage nichts geschrieben, wirklich rein gar nichts. Die Post interessierte mich nicht. Ich öffnete die Dateien mit zwei angefangenen Büchern, las ein zwei Seiten und verspürte keine Lust, daran weiterzuarbeiten. Keine Ideen. Keine Sätze, die sich in dir drängen, geschrieben zu werden." Das geht wochenlang so, der Erzähler wälzt sich zunehmend in Zynismus, Trivialität, erotischen und zum Teil extrem gewalttätigen Phantasien.

Anders als in seinen Jünger-Studien treibt der 31jährige Wimbauer diesmal keine tiefgehende Reflexion, inszeniert sich statt dessen als Popliterat. Leider ist daraus keine Weltliteratur entstanden, zu sehr fehlt's an nötigem Esprit und doppeltem Boden. Geradezu erstaunlich, wie wenig die Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache hier zum Einsatz kommen. Statt dessen bemühte bis überstrapazierte Coolness des Ich-Erzählers.

Dabei ist mancher Plot gar nicht so schlecht: Man denke an die oben erwähnte Maeterlinck-Anekdote oder an den Eintrag im "Traumtagebuch", wo Wimbauer sich in einem Jünger-Devotionalienhandel wiederfindet und dem Kaufrausch verfällt.

Schwamm drüber! Hoffen wir nach diesem - weniger geglückten - Ausflug in die Belletristik auf Wimbauers Rückkehr zur Literaturwissenschaft und auf künftige Jünger-Studien. Apropos Jünger: Von jedem verkauften "Lagebericht"-Exemplar fließen 2 Euro in die Restauration des Jünger-Hauses in Wilflingen. Literarische Qualität hin oder her: Darf man da zögern?

 

Tobias Wimbauer: Lagebericht und andere Erzählungen. Telesma-Verlag, Schwielowsee 2008, kartoniert, 140 Seiten, 18,90 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen