© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/08 20. Juni 2008
Christoph Lehmann streitet mit einer populären Volksinitiative Nein, Regieren macht in Berlin derzeit kein Spaß. Jedenfalls nicht, wenn man das Politikverständnis des rot-roten Senates besitzt. Kaum hat er den Volksentscheid über den Flughafen Tempelhof mit Ach und Krach durchgestanden, bei dem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) schon mal seine Untertanen vorab informieren ließ, daß ihn das Ergebnis des Entscheids eigentlich nicht interessiere (JF berichtete), dräut am Horizont bereits die nächste Gelegenheit, sich bis auf die Knochen zu blamieren. Ende Mai lehnte der Senat eine Gesetzesvorlage der Initiative "Pro Reli" ab, derzufolge der Religionsunterricht an Berliner Schulen wieder gleichberechtigt neben dem vor zwei Jahren eingeführten "Ethikunterricht" gelten soll. Damit ist der Weg frei für die Initiative, ab September 170.000 Unterschriften für einen weiteren Volksentscheid zu sammeln. Eine gewaltige Zahl, die aber angesichts der über eine Million konfessionell organisierten Christen in der Hauptstadt durchaus erreichbar scheint. Entstanden ist diese Idee vor zwei Jahren am Frühstückstisch, als sich der ehemalige Berliner CDU-Landespolitiker, vierfache Vater und überzeugte Katholik Christoph Lehmann gemeinsam mit seiner Familie zur Initiative entschloß (www.pro-reli.de). "Mir ist wichtig, daß Kinder eine eigene religiöse Identität entwickeln können", begründete der promovierte Rechtsanwalt, der sich bereits während seines Studiums in Genf mit Referenden beschäftigte, diesen Schritt. Und Lehmann, Jahrgang 1961, ist nicht alleine. Die erste Hürde meisterte die Initiative mit Bravour. Durch die Unterstützung vieler Kirchengemeinden kamen über 34.000 statt der geforderten 20.000 Stimmen zusammen. Aber auch die Berliner Oppositionsparteien CDU und FDP unterstützen die Initiative. Damit scheint die Neuauflage des Kulturkampfes um Tempelhof vorprogrammiert. Wie bereits beim Volksentscheid zuvor haben sich die Grünen der Gegeninitiative der rot-roten Regierungskoalition angeschlossen. "Pro Ethik" heißt sie und will alles so lassen, wie es ist - also mulitkulturelle Ethik für alle und Religionsunterricht als Privatsache. Dabei setzt sich "Pro Reli" auch für islamischen Religionsunterricht ein. Diese Forderung hat ihren Grund. Denn anders als das bisherige Laissez-faire bedeutet dies, daß ein islamischer Religionsunterricht vom Staat kontrolliert werden muß. "Extremistische Tendenzen könnten dann besser erkannt werden", stellt der im Bund katholischer Rechtsanwälte organisierte Lehmann in einem Gespräch mit der Welt fest. Der erste Volksentscheid scheiterte knapp. Grund war die Auflage, daß 25 Prozent aller Wahlberechtigten abstimmen müssen. Dies hat zwar nichts mit Demokratie, sondern eher mit dem Ruhebedürfnis Berliner Politiker zu tun. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Denn der Zeitplan von "Pro Reli" sieht eine gleichzeitige Abstimmung mit der Europawahl vor. Damit dürften die 25 Prozent geschafft sein. Foto: Christoph Lehmann streitet mit einer populären Volksinitiative gegen den Ethikunterricht |