© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

Deutschland hinkt hinterher
Schulen: Der Bildungsbericht von Bund und Ländern drängt die Politik zum Handeln / Bis zu 80.000 Fachkräfte werden benötigt
Josef Hämmerling

Halbe Bildung ist verderblicher als Unwissenheit." Dieser  Satz des österreichischen Schriftstellers Karl Emil Franzos soll auf Deutschland bald nicht mehr zutreffen - zumindest wenn es nach Bundeskanzlerin Angela Merkel geht. Denn beim Festakt zum sechzigjährigen Bestehen der Sozialen Marktwirtschaft in der vergangenen Woche gab Merkel ein neues Ziel aus: "Wir müssen die Bildungsrepublik Deutschland werden." Erster Schritt hierzu soll im Oktober ein nationaler Bildungsgipfel mit den Bundesländern sein, die laut Verfassung für die Bildungspolitik zuständig sind.

Wenn man sich den kürzlich veröffentlichten zweiten Bildungsbericht von Bund und Ländern anschaut, erscheint eine Bildungsoffensive durchaus angebracht (siehe auch den Artikel auf Seite 2). So verließen 2006 rund 76.000 junge Menschen ohne Hauptschulabschluß die Schule, stolze 7,9 Prozent des Altersjahrgangs. Da ist es nur ein schwacher Trost, daß es 1990 noch 8,7 Prozent waren. Doch auch ein Hauptschulabschluß besitzt heute nur noch wenig Wert, denn nur 43 Prozent der Hauptschüler fanden in den ersten sechs Monaten nach ihrem Schulabschluß eine Ausbildungsstelle - und sogar nach zweieinhalb Jahren konnten 40 Prozent der Hauptschüler nicht ins Berufsleben vermittelt werden.

Nach dem Wunsch der Politik sollen 40 Prozent eines Altersjahrgangs ein Studium aufnehmen. In Wirklichkeit waren es 2007 nur 37 Prozent, zwei Prozentpunkte weniger als beim Höchststand von 2003. Besonders schlecht sieht es bei der Weiterbildung aus. Lag die Teilnehmerquote 1997 noch bei 31 Prozent, ging sie bis 2003 deutlich  auf nur noch 31 Prozent zurück.

Und auch hier fällt auf: Je geringer der Schulabschluß, um so geringer auch die Weiterbildung. Wie sehr Deutschland international hinterherhinkt, sieht man an der "Eurostat-Arbeitskräfteerhebung zu den Lernaktivitäten bei den 25- bis 64jährigen". Von den EU-Staaten liegt Deutschland mit 42 Prozent nur auf dem zwölften Platz. Spitzenreiter ist Österreich mit 89 Prozent, gefolgt von Luxemburg mit 82 Prozent und Dänemark mit 80 Prozent.

Eines der Hauptprobleme ist der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern: Alleine für den Ausbau der Betreuungs­angebote für unter Dreijährige werden etwa 80.000 zusätzliche Fachkräfte benötigt. Viele Lehrer sind zudem in die Jahre gekommen. So ist an den Schulen bereits jeder zweite Lehrer älter als 50 Jahre. Zudem geht in den kommenden fünfzehn Jahren etwa die Hälfte der heutigen Lehrkräfte in Pension; doch schon heute fehlen Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften.

Aus diesem Grund dürfen nach Ansicht der Präsidentin der Kultusministerkonferenz, der saarländischen Bildungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die durch sinkende Schülerzahlen freiwerdenden Finanzmittel (von 2006 bis 2020 laut Schätzungen alleine rund 80 Milliarden Euro) nicht eingespart werden, sondern sollen vielmehr weiter in Bildungsmaßnahmen investiert werden. Zwar sind 2006 mit 142,9 Milliarden Euro fast 15 Milliarden Euro mehr ausgegeben worden als 1995. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt Deutschlands sanken die Bildungsausgaben allerdings von 6,9 auf 6,2 Prozent. Damit liegt die Bundesrepublik  im internationalen Vergleich nach einer Studie der Robert-Bosch-Stiftung "unter dem OECD-Durchschnitt".

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