© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

Ein rechter Populist
Frankreich: Jean-Marie Le Pen wird achtzig / Sein Front National steckt in der schwersten Krise seiner 35jährigen Geschichte
Alain de Benoist

Die politische Rechte hat stets mehr reagiert als reflektiert und definiert sich entsprechend eher über Persönlichkeiten als über Ideen. Ihre Parteien sind häufig Werkzeuge des persönlichen Machtgewinns und überleben ihre Gründerfiguren deshalb selten. Zweifellos liegt darin ein Grund für die tiefe Krise, in der sich der französische Front National (FN) just in dem Moment befindet, da sein Chef Jean-Marie Le Pen seinen 80. Geburtstag begeht.

Geboren am 20. Juni 1928 im bretonischen La Trinité-sur-Mer, wurde Le Pen 1942 zum Staatsmündel, nachdem das Fischerboot des Vaters von einer Mine gesprengt wurde. 1944 versuchte er vergeblich in die FFI einzutreten, die Geheimarmee im Kampf gegen die deutsche Besatzung. Le Pen ging nach Paris, um dort Jura und Politik zu studieren, und engagierte sich in rechten Kreisen. Von 1949 bis 1951 war er Präsident des Studentenbundes der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Schon damals machte er sich einen Namen als Großmaul, das gern handgreiflich wurde. 1955 diente er als Unterleutnant in einem Fallschirmregiment der Fremdenlegion. Als Protegé von Pierre Poujade wurde Le Pen 1956 für dessen Protestbewegung in die Nationalversammlung gewählt.

Nach seiner Wiederwahl 1958 schloß er sich Antoine Pinays CNI an, wurde Generalsekretär des neugegründeten FNC und meldete sich für Militäreinsätze in Algerien sowie im Suezkrieg. Wieder in Paris wurde Le Pen 1965 Wahlkampfleiter des Präsidentschaftskandidaten Jean-Louis Tixier-Vignancour. Im Oktober 1972 gründete er den FN und übernahm dessen Präsidentschaft. Die Partei siechte jahrelang vor sich hin, bevor sie 1983 quasi über Nacht berühmt wurde, als ihr Generalsekretär Jean-Pierre Stirbois in Dreux mit einem Anti-Einwanderungs-Wahlkampf ein Überraschungsergebnis von 16,7 Prozent erzielte.

Damit begann eine Erfolgsgeschichte, in deren Verlauf Le Pen mehrmals im Europaparlament saß, 1992 und 1998 zum Regionalrat für Provence-Alpes-Côte d'Azur gewählt wurde und medienwirksam bei Präsidentschaftswahlen antrat. Nachdem er sich 1974 mit 0,73 Prozent bescheiden mußte, waren es 1988 schon 14,4 Prozent. 1995 konnte er sich auf 15,3 Prozent, 2002 auf 16,9 Prozent steigern. Das reichte zum Einzug in die Stichwahl gegen Jacques Chirac, dem er schließlich mit 17,8 gegen 82,2 Prozent unterlag (JF 19/02).

In diesen Jahren wirkte Le Pen fast unbezwingbar. Seine Reden, die immer wieder für Empörung sorgten (und ihm diverse Gerichtsverfahren einbrachten), führten dazu, daß die Linke ihn verteufelte und die Bürgerlichen Distanz hielten. Der Ausbreitung seines Gedankenguts tat dies keinen Abbruch, so daß ab 1996 sogar von einer "Lepenisierung der Gemüter" gesprochen wurde.

Allerdings nährte Le Pen auch die trügerische Überzeugung, alles alleine zu schaffen. Mut, historische Bildung und politischen Instinkt kann man ihm nicht absprechen, ein Theoretiker ist er nicht. Sein Hauptziel besteht weniger in der Verteidigung seiner politischen Vorstellungen, die er oft genug wechselt, wie die Revisionen des FN-Programms (insbesondere in wirtschaftspolitischer Hinsicht) zeigen, als vielmehr darin, die politische Familie zusammenzuhalten.

Dem steht seine Neigung entgegen, niemanden in seiner Nähe zu dulden, von dem zu befürchten wäre, daß er in seine Fußstapfen treten könnte - weswegen er niemals einen Nachfolger heranziehen konnte. Bruno Mégret gründete daher 1998 mit dem MNR eine eigene Partei, die bald dahinwelkte. Kürzlich hat Mégret bekanntgegeben, nicht nur der Politik, sondern auch Frankreich den Rücken zu kehren. Der am 1. Juni gegründeten rechten Sammlungsbewegung Nouvelle droite populaire (NDP) dürfte ein ähnliches Schicksal drohen.

Für die Vertreter eines ewiggestrigen "Antifaschismus", der sein Gedeihen dem Aufschwung des FN verdankt, ist Le Pen ein Extremist oder "Rassist".Tatsächlich zählt er zu den ersten französischen Politikern, die einen echten Populismus verwirklichen. Denn Populismus ist keine Ideologie, sondern ein Stil. Zu Recht ist der FN immer wieder als nationalpopulistische Partei bezeichnet worden. Doch auf diesem Terrain hat Nicolas Sarkozy ihm inzwischen den Rang abgelaufen. In seinem siegreichen Präsidentschaftswahlkampf warb er 2007 Le Pen und dem FN massenhaft Stammwähler ab, indem er Themenfelder besetzte, auf denen Le Pen bislang stets punkten konnte: Einwanderung, Kriminalität, Arbeitslosigkeit oder EU-Kritik. Le Pen fiel mit 10,4 Prozent auf den Stand von 1984 zurück, einzig die Arbeiter- und Unterschicht blieb ihm weiter treu.

So steckt der FN derzeit in der Krise. An Themen wie Abtreibung oder Regionalismus scheiden sich die Geister der Führungsmannschaft. Dem 58jährigen EU-Abgeordneten Bruno Gollnisch, Professor für Japanische Sprache und Kultur, der lange als designierter Nachfolger Le Pens galt, fehlt die Autorität für diese Rolle. Marine Le Pen, eine von drei Töchtern aus seiner ersten Ehe, muß sich aber gegen Vorwürfe wehren, sie wolle die Partei "normalisieren". Der Parteiapparat, den schwere Finanznöte bedrängen, hat die Verbindung zur Wählerschaft verloren. An den Rändern der Partei tummeln sich Splittergruppen in der unrealistischen Hoffnung, die triumphale Nachfolge antreten zu können.

Jean-Marie Le Pen, der 2007 als Vorsitzender bestätigt wurde, kann trotzdem stolz auf das Erreichte sein. Mit durchschnittlichen Wahlergebnissen von bis zu 20 Prozent hat er größeren Erfolg gehabt als irgendeine andere Partei der "nationalen Rechten" in den letzten hundert Jahren. Daß er es so weit gebracht hat, hat er seiner Persönlichkeit zu verdanken - daß er nie mehr erreichen konnte, ebenfalls.

Foto: Jean-Marie Le Pen: Mut, historische Bildung, politischer Instinkt

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